22.08.2017

18 Löcher, großes Drama

golftime
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Nicht selten liefert eine Golfrunde Stoff für ein filmreifes Drehbuch. In puncto Genre kann man sich allerdings nie wirklich sicher sein, was heute im Theater wieder gespielt wird. Freunde der Komödie kommen im Golfsport immer voll auf ihre Kosten.

Von Götz Schmiedehausen
Fliegt der provisorische Ball auf einem Par 3 direkt vom Abschlag ins Loch, freut man sich über das spektakuläre Par. Zum Schenkelklopfer wird die Geschichte erst, wenn Ball Nr. 1 gar nicht im Aus liegt, sondern in bester Spiegelei-Lage im Bunker gefunden wird.
Und wer kann schon ernst bleiben, wenn man am 18. Abschlag des hochdotierten Einladungsturniers (nachdem man sich schon über 40 Nettopunkte erspielt hat) den Satz hört: „Sag mal, sind das nicht 15 Schläger in deinem Bag?“
Im schlechten Gangsterfilm
Lässt man sich von drei italienischen Gastspielern zu einer „interessanten Spielform aus unserer sizilianischen Heimat“ überreden, bei der man am Ende soviel Geld verliert, dass man sich gezwungen sieht, diesen Herren „irgendwann eine kleine Gefälligkeit zu erweisen“, ist man womöglich in einem schlechten Gangsterfilm gelandet.
Manchmal kann eine einzige Begebenheit gleich Stoff für mehrere Filmszenarien liefern. Denn stellt man auf dem Grün fest, dass man den Ball, den man sich gerade zum Eagle-Putt aus einem Meter Entfernung hinlegt, noch nie zuvor gesehen hat, steht man in puncto Dramaturgie plötzlich am Scheideweg.
Drama ohne Happy End
Der ehrliche Golfer gesteht den Fehler und wird so zum tragischen Helden in einem deprimierenden Drama ohne Happy End, das zwar viele Filmpreise gewinnt, an den Kinokassen jedoch zurecht abstinkt. Ein schwächerer Geist hingegen spielt das Eagle und hofft, dass niemand etwas merkt.
Geht der Plan jedoch schief und die Mitspieler erheben Klage, befindet man sich schlagartig inmitten eines Gerichtsthrillers, bei dem selbst John Grisham gespannt wäre, wie man sich aus der Nummer wieder herausmanövriert.
Selbstzerfleischung
Erfolgt hingegen kein Einspruch und man gewinnt dank der ergaunerten Punkte den Hauptpreis des Turniers, könnten Schuldgefühle entstehen, die so lange am Gewissen nagen, bis man irgendwann als paranoides Nervenbündel in der Ecke kauert, unfähig, die unrechtmäßig gewonnene Golfreise anzutreten. Diese Zurschaustellungen innerer Selbstzerfleischung finden jedoch nur französische Experimentalfilmer unterhaltsam.
Deutlich beliebter sind hingegen zu Herzen gehende Liebesfilme. Verfehlt man bspw. mit einem Querschläger die schöne Clubmeisterin um Haaresbreite und lernt die Dame dank des Fauxpas anschließend näher kennen, erwächst aus dem Golftag im Handumdrehen der Plot zu einem romantischen Streifen mit Happy End in Form einer Traumhochzeit auf dem Golfplatz.
Schmerzensschrei statt Jubel
Blitzschnell kann die Golfrunde aber auch zur Horrorshow mutieren. Hört man nach dem Schlag ins 18. Grün, hinter dem sich die vollbesetzte Clubhausterrasse befindet, statt beifälliger Rufe für den guten Schlag Porzellan scheppern und gellende Schmerzensschreie, hat man schon wieder die „9“ mit der „6“ verwechselt
Zu einer temporären Blutarmut im Gesichtsbereich kann es kommen, wenn man während der Runde so richtig über Club und Vorstand ablästert, nur um später festzustellen, dass die Mitspielerin die neue Freundin des Clubmanagers ist.
Nicht jedes Drehbuch passt auch zum Golf, was oft schade ist. Denn wer wäre nicht gerne in einem Bud-Spencer-Film zu Hause, wenn sich der schamlose Handicap-Schoner schon wieder als Sieger feiern lässt? Auch ein plötzlicher Angriff von Außerirdischen auf die ziellos durchs Gelände torkelnden Golfer in der vorausschleichenden Gruppe wäre manchmal eine wünschenswerte, wenn auch etwas überraschende Wendung im Verlauf einer bis dahin tristen Runde. Aber auch so ist und bleibt Golf der spannendste Sport der Welt …

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