»Nur wenige Minuten in der Umkleide des Golfclubs genügten, und der gerade noch so seriös wirkende Herr im eleganten Business-Zweireiher hatte sich in Bonzo, den Clown, verwandelt«
Hat die lokale Müllabfuhr eine optische Generalüberholung erlebt? Oder sollte das wahrhaftig Rickie Fowler sein, der komplett in sein orangefarbenes Tour-Outfit gewandet am ersten Abschlag meines Golfclubs steht? Soweit ich mich jedoch erinnern kann, war Fowler bis gestern noch ein ultraschlankes Teenie-Idol und kein schmerbäuchiger Mid-Ager, der aussieht, als hätte er heute morgen in geistiger Umnachtung den Kleiderschrank seines zwölfjährigen Sohns geplündert.
Eine einheitliche Golfbekleidungsrichtlinie gibt es bekanntlich nicht, Golf gewährt dem Athleten vielmehr hinsichtlich seines Erscheinungsbilds (fast) völlige Narrenfreiheit. Aufgrund fehlender Regelvorschriften durchlief die Golfmode eine erstaunliche, aber auch phasenweise erschreckende Evolutionsgeschichte.
Hippiekram
Im 19. bzw. dem frühen 20. Jahrhundert trugen die Herren im Golfsport elegante Tweed-Anzüge oder Knickerbockerhosen mit Weste, Hemd, Fliege oder Krawatte. Die Damen bevorzugten leichte Kleider mit langen Röcken. Bis Ende der Sechzigerjahre präsentierte sich der Golfer als modisch stilsicher – gerne im klassischen Dandy-Look, wie bspw. Sean Connery in der bekannten Golfszene des Bondstreifens „Goldfinger“.
In den späten Siebzigerjahren kamen jedoch ein paar minderbegabte Modedesigner auf die unglückselige Idee, aus klassischen Schottenkaro-Mustern, legerer Freizeitkleidung und dem damals angesagten quietschbunten Hippiekram eine ebenso unheilige wie netzhautbetäubende Mixtur anzurühren. Da niemand den Kram haben wollte, deklarierte man es als Golfmode.
Fremdschäm-Objekte
Eine bizarre Entwicklung nahm ihren Lauf und man möchte kaum glauben, wie grotesk der kollektive Konsens hinsichtlich der Golfkleiderordnung damals aussah. Herkömmliche Schnittmuster wurden zugunsten unförmiger Sackmutationen über Bord geworfen. Outdoor-Naturtöne wurden mit grellen Vollfarben kombiniert und die textilgewordenen Scheußlichkeiten schließlich flächendeckend an die Golfproshops in aller Welt ausgeliefert. Das Gesamtbild war so verstörend wie verheerend. Nur wenige Minuten in der Umkleide des Golfclubs genügten, und der gerade noch so seriös wirkende Herr im eleganten Business-Zweireiher hatte sich in Bonzo, den Clown, verwandelt.
Die Lage schien hoffnungslos, bis es Johan Lindeberg Anfang der Zweitausenderjahre gelang, die Begriffe „Golf“ und „Mode“ wieder auf einen Nenner zu bringen. Mit eng geschnittenen Polos und Hosen, durchsetzt von dezenten Verbeugungen vor der Mode der 20er-Jahre sowie mit geschmackvoll inszenierten Neonfeuerwerken eroberte der Schwede die Golfmodeszene im Sturm und öffnete den Designern vieler heute angesagter Golfmodelabels die Augen. Sukzessiv zog auch der Mainstream mit neu inspirierten, aber auch massenkompatiblen Kollektionen nach und im Laufe eines weiteren Jahrzehnts wurde der Golfmodemarkt weitestgehend von den schlimmsten Fremdschäm-Objekten bereinigt.
Jungen Wilden
Golfstars wie Martin Kaymer (Boss), Natalie Gulbis (Adidas), Rory McIlroy (Nike), Ai Miyazato (Paradiso) oder Luke Donald (Ralph Lauren) machen heute vor, wie man sich als Golfer(in)modern und zeitlos kleidet. Für die jungen Wilden gibt es Rickie Fowler oder Lexi Thompson (beide Puma), während notorische Ästhetikverweigerer mit den schrillen Outfits von John Dalys Outfitter Loudmouth nun auch gesellschaftlich akzeptiert ihrem schlechten Geschmack frönen dürfen.
Egal, ob Sie sich der Parade der Peinlichkeit anschließen, oder lieber eine Stil-Ikone auf dem Golfplatz sein möchten – in puncto Golfmode erleben wir derzeit ein goldenes Zeitalter.
Götz Schmiedehausen, Autor des essenziellen Leitfadens durch die Welt des Golfwahnsinns in Buchform: „Golf oder gar nichts!“ Durchlief im Laufe seiner „Golfkarriere“ diverse modische Entwicklungsstufen, darunter eine „Gott, wie fürchterlich“-Phase und aktuell das „Progressives Understatement“-Zeitalter
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