18.10.2018

Warum es die USA auch 2020 schwer haben

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Seit 25 Jahren blamieren sich die Amerikaner beim Ryder Cup in Europa. Sechs Gründe, warum die besten Golfer der Welt dieses Prestige-Duell nicht gewinnen können. Eine Analyse peinlicher Überheblichkeit und Ignoranz.


Die Schlagzeilen übertreffen sich: Die New York Times berichtet nach dem Ryder Cup-Debakel gegen Europa von einem Outing Patrick Reeds, der „angepisst sei, weil Jordan Spieth nicht mit ihm in einem Flight spielen wolle“. Außerdem gab der selbsternannte „Captain America“ schon während des Turniers im Le Golf National bei Paris zum Besten: „Es war keine kluge Entscheidung, jemanden wie mich, der so erfolgreich in der Vergangenheit war, zwei Mal nicht zu nominieren.“ 
Bei seinen drei Einsätzen lieferte der nicht gerade beliebte Masters-Sieger nur einen einzigen Punkt ab. Kaum war diese NYT-Nachricht durch, kam schon der nächste Hammer: Dustin Johnson und Brooks Koepka sind unmittelbar nach dem Ryder Cup in den Mannschaftsräumen der Europäer tätlich aufeinander losgegangen, mussten von den entsetzten Mitspielern getrennt werden. 
Schließlich gab es dann noch den in dieser krassen Weise nicht zu erwartenden Shit-Storm gegen U.S.-Kapitän Jim Furyk, 48. „Wie konnte er den Oldie Phil Mickelson, weit ab von seiner gewohnten Form, mit einer Wildcard ins Ryder Cup Team berufen?“, war noch die sachlichste Kritik. 
Auch Wildcard-Spieler Tiger Woods und Bryson DeChambeau mussten sich harscher Schelte aussetzen, einzig Ryder Cup-Rookie Tony Finau kam ungeschoren davon – er holte immerhin zwei Punkte. Diese September-Woche alle zwei Jahre ist etwas ganz Spezielles, zweifellos das Highlight im Golf-Kalender. Abwechselnd in Europa und zwei Jahre später in den USA. So war es von Anfang an, auch wenn damals der Ryder Cup noch ein sechswöchiger Ausflug per Kreuzfahrtschiff über den Atlantik war. Als ein gewisser Samuel Ryder, Samenhändler und begeisterter Golfer, 1927 einen vergoldeten Pokal stiftete als Preis für eine kleine, exklusive Herrenrunde, die sich mit Golfern der Neuen Welt messen sollte, ahnte niemand, welche Dimension dieser Ryder Cup einmal haben würde. 
Der Ryder Cup ist mehr als simple 28 Matches
Aber eines war schon immer so: Der Ryder Cup ist mehr als simple 28 Matches zwischen den besten 24 Spielern von USA und Europa. Es ist ein Prestige-Duell zwischen den Amis und den Euros, an Publikums-Interesse gleichzusetzen mit Olympischen Spielen, Fußball-WM oder Super Bowl. Obwohl es für die Ryder Cup-Spieler keinen Cent Preisgeld gibt, zählt dieser Bewerb zum Sahne-Event der Golf-Szene. Kein Wunder, dass die Nerven der Ryder Cup-Millionäre blank liegen, die Spieler in geradezu hysterische Ekstase geraten wie bei keinem anderen Golfturnier. Sicherlich der Hauptgrund, warum so viele Zuschauer wie noch nie auf die top präparierte Anlage bei Versailles strömten. 
In den Golf National waren 290.000 Fans gekommen, davon Tausende schon morgens ab sechs Uhr auf den Beinen. Alleine am ersten Abschlag fasste die Tribüne 6.900 Zuschauer. Wie die Ryder Cup-Statistik zeigt, dominierten die Amerikaner diesen Bewerb anfangs nach Belieben, da es immer nur gegen eine UK-Auswahl ging. Erst als seit 1979 auch Festland-Europäer in den Ryder Cup-Modus aufgenommen wurden, war das Kräfteverhältnis deutlich ausgeglichener. 

Der letzte Sieg der U.S.-Boys auf europäischem Boden liegt 25 Jahre zurück
Hier die Langzeit-Statistik: Nach 42 Ryder Cups haben die USA 26 Bewerbe gewonnen, Europa 14. Nach insgesamt 984 Matches holten die USA 542 Punkte und Europa 442 Punkte. Also noch ordentlicher Aufholbedarf seitens Old Europe. Erst in den vergangenen 33 Jahren kristallisierte sich eine deutliche Dominanz der Europäer heraus. Der letzte Sieg der U.S.-Boys auf europäischem Boden liegt 25 Jahre zurück (1993 The Belfry, 15:13), seit 1985 haben die Amerikaner insgesamt nur fünf Mal gewonnen, die Europäer elf Mal. Die große Wende läutete Seve Ballesteros 1997 ein, als er in Valderrama die klaren Favoriten (erstmals mit dem Superstar und Weltranglisten-Ersten Woods) mit 14,5:13,5 nach Hause schickte. 
Von den vergangenen neun Ryder Cups gewannen die Amerikaner nur zwei Mal (Valhalla 2008 und Hazeltine 2016), und automatisch drängt sich die Frage auf: Was ist los mit den U.S.-Boys, die nach wie vor laut Weltrangliste deutlich besser sind als die Europäer, aber im Ryder Cup immer öfter verlieren? 
Hier die sechs Gründe, warum die Amerikaner immer öfters scheitern und auch in Zukunft immer weniger Chancen haben werden, gegen die Europäer zu gewinnen:

1.) ÜBERHEBLICHKEIT 
Das wahrscheinlich größte Problem in den U.S.-Reihen. Sie wollen, können einfach nicht wahrhaben, dass nach der langjährigen Dominanz im Ryder Cup sich eine Wende vollzogen hat. Sie nehmen einfach die Golfer von Old Europe nicht wirklich ernst. Selbst den amerikanischen Journalisten ist vorzuwerfen, dass sie in ihren Berichten die eigenen Spieler zu Helden hochstilisieren und eine mögliche Niederlage im Ryder Cup gar nicht in Betracht ziehen. 
2.) SCHLECHTE MANNSCHAFTSFÜHRUNG
Nach der Niederlage 2014 in Gleneagles war es ausgerechnet Phil Mickelson, der seinen damaligen Kapitän Tom Watson bei der Abschluss-Pressekonferenz vor aller Öffentlichkeit bitter bloßstellte und eine Neuorientierung des U.S. Ryder Cup-Teams forderte. Die Folge: Eine Task Force wurde eingerichtet, die künftig Pannen wie unter Watson ausschließen sollte. Gut, der darauffolgende Ryder Cup in Hazeltine wurde wieder gewonnen, aber das war eher auf einen schwachen Kapitän Darren Clarke und seine Freunderlwirtschaft zurückzuführen als auf eine gezielte Aktion „Ryder Cup“. Jim Furyk machte als Captain eine gute Figur, nur hinter seinem Rücken rumorte es ordentlich. Furyk, offen: „Ich ziehe meinen Hut vor dem europäischen Team.“
3.) KEINE VORBEREITUNG 
Paris ist der beste Beweis für mangelnde Platzkenntnisse. Auf dem Golf National hatten die Europäer knapp 300 Runden gespielt, die Amerikaner nur 28 (!) Runden. Sechs Spieler waren am Dienstag vor dem Ryder Cup überhaupt zum ersten Mal auf dem Golf National Course! Seit sieben Jahren wissen die Amerikaner, dass 2018 der Golf National bei Paris Austragungswiese sein würde, tricky, gespickt mit Wasserhindernissen und engen Fairways. Und allen war aber wirklich klar: Europa hat nur eine Chance gegen die Stars & Stripes-Ballermänner, wenn sie die Fairways noch enger anlegen, das Rough dick und fett wachsen lassen und die Grüns eher langsam machen. Das Konzept ist voll aufgegangen. Die Bubis donnerten wie blöd ihre Bälle mit dem Driver ins Rough oder ins Wasser, haben nicht kapiert, dass vielleicht ein Holz 3 vom Abschlag eher zum Ziel führt. 
4.) MANGELNDER TEAMGEIST 
Die Amerikaner sind, obwohl eine Nation, keine Mannschaft.Es gibt zwar Cliquen und Buddies, aber von einem einheitlichen Miteinander weit entfernt. Beispiel Tiger Woods: Dass er kein Teamspieler ist, wissen wir ja. Aber die Körpersprache, die er in Paris zur Schau trug, war niederschmetternd. Gesenkter Kopf, hängende Schultern, eine Mimik, als ginge er zu seinem eigenen Begräbnis. Kein Gespräch mit seinen Flight-Partnern, null Kommunikation. Das einzige Lächeln, das ihm in den drei Tagen auf dem Course über die Lippen huschte, war am Sonntag auf Bahn 15, als er resigniert zur Kenntnis nehmen musste, dass er gegen Jon Rahm keine Chance hatte. 
Die eingangs erwähnten verbalen und auch körperlichen Ausrutscher der Amerikaner bestätigen nur einmal mehr den mangelnden Teamspirit. Dabei lebt der Ryder Cup vom Mannschaftsgeist, bestens vorgeführt von García, Fleetwood, Rose,  Poulter etc., wie die Ryder Cup-Truppe von Thomas Bjørn, 47, deutlich demonstrierte. Aber das ist ja nichts Neues: Europa mit Spielern aus sechs Nationen mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Historie, verstehen sich besser als die Grand Nation. Selbst die U.S.-Präsidenten, meist selbst Golfer, waren bei fast jedem Ryder Cup vor Ort. Als Donald Trump vom sich abzeichnenden Desaster erfuhr, rührte er keinen Twitter-Finger, um eine Botschaft an seine Jungs zu schicken. „America First“ war einmal, jedenfalls im Golfsport. 
5.) FALSCHE EINSTELLUNG 
Wenn bei der Schlusszeremonie alle wieder vereint sich verabschieden, ist es schon ein sonderbares Bild, wenn sich zum Beispiel ein Tiger Woods mit Händen und Füßen sträubt, sich in kumpelhafte Umarmungen zu ergeben. Irgendwie 
gehört Tiger nicht zum Ryder Cup – er ist ein Fremdkörper, einem Außerirdischen gleich, der sich in dieser Ryder Cup-Welt wie auf einem fremden Planeten fühlt. Überhaupt: Das amerikanische Team macht den Eindruck, als ob es unter einem Europa-Komplex leide und nur einer lästigen Verpflichtung nachkomme. Europa und seine Lebensweise ist den einfach gestrickten Burschen nicht ganz geheuer. Reed ist dafür das beste Beispiel. So heißt es in der New York Post, die einen vertrauenswürdigen Informanten zitiert: „Reed ist nicht ganz richtig im Kopf, er hat darum gebettelt, mit Tiger zu spielen. Er hätte am Samstag mit seinem eigenen Ball eine 83 geschossen. Er hat Tiger im Flight mit runtergezogen. Er hat keine Ahnung, wie man Team-Golf spielt.“
6.) NICHT LERNFÄHIG 
Dass dem Spiel der Amerikaner die europäischen Plätze nicht liegen, ist bekannt. Sich möglicherweise darauf spieltechnisch einzustellen, scheint den Profis nicht in den Sinn zu kommen. Weder können sie so kurzfristig ihr Spiel umstellen, noch bedenken sie bei der Vergabe im eigenen Lande, darauf Rücksicht zu nehmen. 2020 wird der 43. Ryder Cup in Whistling Straits ausgetragen, eine Anlage, die mehr einem europäischen Course gleicht als einer Ballerwiese à la Hazeltine vor zwei Jahren. Da kann jetzt schon prophezeit werden: Der Heimvorteil für die U.S.-Boys wird gleich null sein. Interessant, was Jim Furyk nach dem Ryder Cup zu Protokoll gab: „Ich werde es immer wieder und wieder sagen: Ich habe großes Vertrauen in meine zwölf Spieler und ich würde sie allesamt zum nächsten Ryder Cup wieder mitnehmen, wenn ich könnte.“ 
Wie schön, dass es auch Positives zu berichten gibt: Europas Ryder Cup-Team hat wieder einmal bewiesen, dass mit all den eben genannten wichtigen Faktoren, richtig eingesetzt, Berge zu versetzen sind. Thomas Bjørn, als Muffel bekannt, sah in dem Ryder Cup die Chance, „ein geeintes Europa weltweit zu präsentieren, zumindest auf dem Golfplatz“. 
Als er jedoch bei den ersten Fourball- Matches seines dänischen Landsmannes Thorbjørn Olesen mit Routinier Rory McIlroy auf die Runde schickte, die absolut nicht funktionierte und die Amerikaner mit 3:1 in Führung brachte, erntete er Kopfschütteln von allen Seiten. Das roch auch schon wieder schwer nach Freunderlwirtschaft. 
Olesen kam erst wieder am Schlusstag zum Einsatz, wo er dann den haushohen Favoriten Jordan Spieth sensationell vom Platz fegte und die „Danish-Connection“ rehabilitierte. 
Team Moliwood
Einmalig das Team Francesco Molinari und Tommy Fleetwood – das erfolgreichste Duo aller Zeiten beim Ryder Cup. Der Italiener gewann alle seine fünf Matches, der Engländer verlor nur am Schlusstag gegen einen unbeschwert aufspielenden Tony Finau. Für Tommy war da einfach die Luft raus, zu überwältigend waren die ersten beiden Tage für den Rookie und Senkrechtstarter des Jahres 2018. Kommentar von Molinari: „Es ist schwer, nicht emotional zu werden. Aber wahrscheinlich hatten die Amerikaner das beste Team aller Zeiten und wir waren einfach so gut.“ 
Inzwischen feiert die Golfwelt die beiden als „Moliwood“. Selten, dass man Sergio García weinen sieht, aber nach seiner Vorstellung in Paris nur zu verständlich: „Normalerweise weine ich nicht, aber ich konnte nicht anders. Was für eine Woche, wir haben hart gekämpft. Ich bin so dankbar, dass Thomas mich ausgewählt und an mich geglaubt hat.“ Mit seinem neunten Einsatz ist er jetzt der erfolgreichste europäische Ryder Cup-Spieler aller Zeiten. Ausgerechnet die Wildcards haben den Ausschlag gegeben: Sergio García, Henrik Stenson, „Mister Ryder Cup“ Ian Poulter und Paul Casey. 
Ian Poulter: „Das ist ein besonderes Team. Es gibt einen Haufen junger Typen. Ich hatte das Glück, als alter Mann ausgewählt zu werden und ein wenig mitzuhelfen. Diese Trophäe zurückzuerobern, macht uns stolz. Wir wussten, dass wir die Außenseiter sind, und das machte uns diese Woche noch entschlossener.“ 
Auch Jon Rahm, erstmals beim Ryder Cup dabei, wusste zu überzeugen. Nach seinem Sieg gegen Woods sagte er: „Ich bin damit aufgewachsen, diesen Kerl zu verfolgen. Großartig, gegen ihn gewonnen zu haben.“ Tigers Pech: Auch wenn er schon lange nicht mehr die Nummer eins der Welt ist, alle setzen einfach alles daran, ausgerechnet gegen ihn zu gewinnen. 
Nachdem es vor dem Schlusstag 10:6 für Europa stand und alles nach einem neuerlichen Heimsieg Europas aussah, schaltete sich der U.S.-Sender Golf-Channel ein. Er hatte herausgefunden, dass sowohl 1999 in Brookline als auch 2012 in Medinah ein 6:10-Rückstand aufgeholt werden konnte. Begründung: Damals sei ausgerechnet in dieser Woche jeweils Vollmond gewesen, und auch jetzt sei beim gleichen Rückstand in Paris wieder Vollmond. Tatsächlich schafften am Sonntag bei den zwölf Match-Plays die Amerikaner bis auf 9,5 zu 10,5 aufzuholen, dann aber kam für die hoffnungsfrohen Amis die totale Mondfinsternis: 17,5 zu 10,5 für Europa. 
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