06.03.2019

Schuld ist nur die Polizei

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Das neue Regelwerk sorgt für Aufregung. Einige Spieler beschweren sich, sollten aber bei sich selbst anfangen.


von Adrian Kramer

Die neue Saison ist gerade einmal zwei Monate alt, da steht bereits der erste Verlierer des Jahres fest; zumindest aus Sicht vieler Spieler. Denn die neuen Golfregeln, die seit dem 1. Januar 2019 in Kraft sind, sorgten bereits für den ein oder anderen kapitalen Aufreger. Justin Thomas bezeichnete die Änderungen als „grauenvoll“, Bryson DeChambeau nannte das Droppen aus Kniehöhe als „etwas absurd“ und Adam Scott glaubt gar, dass [das professionelle] Golf aufgrund der neuen Regeln eine „Lachnummer“ geworden sei.
Der Grund für die Aufreger sind die Regelentscheidungen in den Fällen von Li Haotong, Denny McCarthy und Adam Schenk – allesamt wurden für die Position ihrer Caddies bei der Vorbereitung bestraft – sowie Rickie Fowlers Strafe für das Droppen aus falscher Höhe. Die Disqualifikation von Alex Cejka wegen eines inkorrekten Yardage Books sowie Justin Thomas‘ Verbot, sein verbogenes Eisen 9 nach dem Schlag hinter einem Baum sorgten für Disput zwischen Spielern und Regelhütern.

Ja, es gibt neue Regeln. Ja, einige sind gewöhnungsbedürftig. Und ja, man kann über einige Anpassungen streiten. Aber dass die Spieler die neuen Regeln nicht kennen und sich danach auch noch über die Konsequenzen beschweren ist in etwa so als wenn sich Otto Normalbürger bei der Polizei über ein Bußgeld für überhöhte Geschwindigkeit in einer 30er Zone beschwert, die seit zwei Monaten auf ihrem üblichen Arbeitsweg eingerichtet und über die man im Vorfeld von der Stadt informiert wurde. Eigentlich sogar noch drastischer. Immerhin hatten die Spieler die Gelegenheit, im Vorfeld ihre Meinung zu den geplanten Regeländerungen an R&A und USGA weiterzuleiten. 

Fingerspitzengefühl ist gefragt

Einen großen Vorteil im Vergleich zu den Profis auf der Tour hat Herr Normalbürger: Wer auf den richtigen Polizisten trifft hat zumindest die Möglichkeit, auf Gnade vor Recht zu hoffen und noch einmal mit einem blauen Auge – in Form einer Verwarnung – davon zu kommen.
Die Formulierungen im neuen Regelwerk gibt den Regeloffiziellen der PGA und European Tour hingegen keinen Spielraum. Es geht nicht darum, ob sich ein Spieler durch die Positionierung des Caddies oder die Höhe des Drops oder den Umfang des Yardage Books einen Vorteil zieht, sondern nur um die Situation an sich.
Man darf davon ausgehen, dass keiner der Spieler mit der Absicht, sich einen unlauteren Vorteil zu verschaffen, gegen die Regeln verstoßen hat. Es geschah schlicht und einfach aus Gewohnheit. Seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, bereiten sie sich immer gleich auf einen Schlag vor. Es gehört zu ihrer Routine, um sich bestmöglich auf das Folgende einstellen zu können. Und plötzlich müssen sie alte Gewohnheiten umstellen.

Regelwerk muss noch einmal angefasst werden

Aber ist es zu viel verlangt, sich die neuen Regeln zu Gemüte zu führen und seine Ausrüstung und Vorbereitung auf Konformität zu überprüfen? Zumal die Regeländerungen nicht aus heiterem Himmel kamen und von einem Tag auf den anderen in Kraft gesetzt wurden. Es gab genügend Vorlaufszeit. 
Nichts desto trotz gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Ein Profi, der sich nicht mit den neuen Regeln auseinander setzt, ist die eine. Aber ein Regelwerk, das keinen Freiraum zur Interpretation bietet – vor allem noch mit einem Regeloffiziellen, der Kläger, Geschworener und Richter in einer Person ist – macht die Umstellung nicht unbedingt leichter.
Beide Seiten sind gefragt, um die Fronten zu entschärfen. Die Polizei ist nicht immer schuld, wenn man geblitzt wird.

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