24.08.2017

Perfektion bis ins Detail

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Ein verpasster Putt weckt die Leidenschaft eines jungen Mannes, der damit fortan die Golfindustrie verändert. Die Geschichte eines Pioniers und wie sein Werk, u.a. die Marke Titleist, bis heute fortgeführt wird.


Wir schreiben das Jahr 1932. Ein gewisser Philipp Young steht auf dem 18. Grün des New Bedford CC, konfrontiert mit einem machbaren Putt, der sein Match entscheiden wird. Young trifft den Ball im Sweetspot. Auch die Linie stimmt. Nur das Ergebnis nicht. Der Ball läuft aus für ihn unerklärlichen Gründen aus der perfekten Linie und verpasst das Loch.

Der junge Gründer der Acushnet Process Company, einer Gummifabrik mit Sitz in New Bedford, kann es nicht fassen. Er ist sich sicher, dass er den Ball perfekt getroffen und die Linie richtig gelesen hat. Youngs Zorn richtet sich gegen sein Spielgerät.

Er nimmt seinen Ball und fährt damit zu einem befreundeten Zahnarzt. Sie durchleuchten den Golfball mit einem Röntgengerät und stellen fest, dass der innere Kern völlig deformiert ist. Ein solider Ballflug oder treuer Putt ist mit einem solch fehlerhaften Ball unmöglich. Untersuchungen weiterer Golfbälle ergeben ähnliche Resultate. Gummifabrikant Young zieht die Konsequenz: Er will einen Golfball mit exakt rundem Kern entwickeln. Dafür schließt er sich mit seinem College-Freund Fred Bommer zusammen.

Meilenstein

Drei Jahre später produziert die nach ihrer Heimatstadt rund 90 Kilometer südlich von Boston benannte Acushnet Process Company ihren ersten marktreifen Golfball. Young und Bommer entwickelten einen Herstellungs­prozess, bei dem der flüssige Kern des Balls eingefroren wird, damit er während des – ebenfalls neu ausgetüftelten – Wickelungsprozesses der äußeren Gummischichten seine exakt runde Form behält. Zur damaligen Zeit ein Meilenstein im Bereich der Golfballproduktion.

Nun galt es, die Golfer von den neuen Premiumbällen zu überzeugen. Dafür nutzten Young und Bommer einen unkonventionellen Weg. Sie verkauften ausschließlich über Golfprofessionals. Während herkömmliche Bälle in Warenhäusern auf ihre Käufer warteten, sollten die Acushnet-Produkte zuerst die Golflehrer überzeugen. Bevor die Gründer jedoch auf Promotiontour durch die Vereinigten Staaten gingen, mussten sie einen Markennamen finden. Sie entschieden sich für die Wortschöpfung „Titleist“ – der Spieler, der Titel gewinnt. Youngs Sekretärin notierte den Namen per Hand. Noch heute ist ihre Notiz das Logo der Marke.

Andauernde Erfolgsgeschichte

Ausgestattet mit passendem Namen, brauchten die Pioniere schließlich eine Methodik, um die Qualität ihrer Produkte zu validieren. Die Lösung war eine selbstentwickelte, mobile Vorführmaschine. Damit fuhr der Ingenieur Claude Hastings als Acushnet-Repräsentant in einer Art Wohnmobil durchs Land. Er steuerte die bestenGolfclubs des Landes an und demonstrierte Golfern die Qualität des Titleist-Balls.

Zum einen überzeugte er auf diese Weise viele einflussreiche Amateurspieler davon, dass Titleist einen besseren Ball entwickelt hatte als alle Konkurrenten. Zum anderen verhalf er den ansässigen Club-Pros, die neue Ware zu verkaufen. Es war der Beginn einer bis heute andauernden Erfolgsgeschichte.

In den folgenden Jahren konzentrierte man sich darauf, dass auch Profis Titleist-Bälle spielen. Der Ansatz: Wenn die besten Spieler der Welt auf Titleist vertrauen und den Ball für ihr Spiel auswählen, bestätigt dies die Qualität der Produkte. Die Idee ging auf: Bei der US Open 1949 wurde kein Ball häufiger gespielt. Titleist hatte sich als neuer Branchenprimus durchgesetzt.

Perfektion, ohne Kompromisse

Dieser historische Exkurs ist wichtig, um das Selbstverständnis des Unternehmens dieser Tage zu verstehen. „Der Ball Nummer 1 im Golf“ ist bei Acushnet kein plumper Werbeslogan. Damals nicht, heute auch nicht. Es ist die Botschaft, die bei Acushnet alle Mitarbeiter kennen. Es ist der Anspruch, den sie an sich selbst haben. Titleist-Bälle sollen die besten Bälle der Welt sein. Ohne Kompromisse. Ohne Ausnahme. In Perfektion.

Daran hat sich seit der Gründung der Golfballsparte nichts verändert. Wohl aber die Produktionsstätten- und prozesse. In drei Fabriken (Ball Plants II bis IV) produziert Acushnet heute seine Bälle. Zwei davon liegen in der Nähe des Unternehmenssitzes in Fairhaven, Massachusetts, eine befindet sich in Thailand. Alle Fabrikgebäude sind Unternehmensbesitz, alle Mitarbeiter fest bei Acushnet angestellt. Darauf wird großen Wert gelegt, schließlich gewährleisten diese Faktoren die Qualität der Golfbälle. Jeder Arbeitsschritt – von der Forschung und Entwicklung neuer Gemische für einen potenziellen neuen Ball, bis zur Produktion in den Ball Plants – unterliegt den von Phil Young und Fred Bommer gesetzten Qualitätsstandards.

Das Titleist-Gehirn

Wenn man die Produktionsfabriken als Herz des Unternehmens bezeichnen möchte, ist die Forschungs- und Entwicklungsabteilung das Gehirn. Hinter einer gesicherten Tür in der Eingangshalle des Acushnet-Hauptsitzes in Fairhaven befindet sich dieses Gehirn. Fotos zu schießen ist hier in den meisten Bereichen strengstens verboten. Zu sensibel sind die Daten, Zeichnungen, Fotos, Geräte mit denen hier umgegangen wird. Chef der Abteilung ist Bill Morgan, der „Vater“ des Pro V1.

Gemeinsam mit seinem F&E-Team entwickelte Morgan Mitte der 90er-Jahre die Idee, die Länge eines Distance-Balls mit den Spineigenschaften des urethanbeschichteten Professional-Balls zu kombinieren. Gemeinsam mit seinem Team entwickelte Morgan einen Prozess, der eine Urethanschicht auf den mit hartem Gummikern ausgestatteten Distance-Ball haften ließ. So entstand eine neue mehrschichtige Golfballkonstruktion mit einer Zwischenlage. Die Urethanbeschichtung nannte das Titleist-F&E-Team „veneer“ (zu deutsch: Furnier/Mantel). Werksinterne Tests ergaben ein eindeutiges Resultat: Dieser mehrschichtige Ball hebt die Golfball-Leistung auf ein neues Niveau.

Flur der Patente

Als der Produktionsprozess Anfang dieses Jahrtausends schließlich reibungslos lief, bekam der neue Premiumball die Freigabe zur Markteinführung. Gleich im ersten PGA-Tour-Turnier wechselten 47 Spieler auf den Pro V1 (Pro=Professional, V=Veneer, 1=der erste seiner Art), der seither ein neues Kapitel in der Golfballgeschichte füllt.

Ein Blick hinter die verschlossenen Türen im Acushnet-Hauptsitz zeigt jedoch, wie viel mehr in der Forschungsabteilung steckt, als die Entwicklung eines hochklassigen Ballmodells. So ist da zum Beispiel der „Flur der Patente“. Hier hängen etliche der insgesamt über 1.200 Patente, die Acushnet hält – nur im Bereich der Golfballentwicklung. Die hauseigenen Anwälte füllen hunderte Arbeitstage im Jahr damit, diese Zertifikate gegen Mitbewerber zu verteidigen.

Zauberformeln

Vom Flur der Patente aus gelangt man auch in den Arbeitsraum von Brian Comeau. Der Chemiedoktor ist für die Erforschung neuer Materialmixturen zuständig. Zudem entwickeln er und seine Mitarbeiter die Rezepturen der bestehenden Ballmodelle weiter. Grundlage dieser Forschungsarbeit sind verschiedene Gummisorten, die aus aller Welt nach Fairhaven angeliefert werden. Daraus entstehen die neuen Ballprototypen, die verschiedene Tests durchlaufen.

Fallen die Tests positiv aus, wird nach dem neuen Rezept eine Kleinstauflage produziert. Das geschieht im Nebenraum von Comeaus Chemielabor, wo der Ball mithilfe spezieller Maschinen Schicht um Schicht zusammengefügt wird. „Wir haben hier eine Mini-Ballfabrik“, fasst Comeau seine Abteilung zusammen.

Die fertigen Bälle werden anschließend weiteren Härtetests unterzogen. Auch das erledigen Maschinen und Messgeräte, zunächst im Inneren des F&E-Blocks in Fairhaven, später auf dem Außen-Testgelände Manchester Lane inNew Bedford. Wird ein Prototyp nach den diversen Tests und Messungen für marktreif befunden, geht Comeaus Rezept an eine der Ballfabriken, um die Massenproduktion zu beginnen.

Info: www.titleist.de

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