29.06.2018

So trainiert der Nachwuchs

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Exklusive Einblicke in die Saisonvorbereitung des deutschen Golf-Nachwuchses: Hochprofessionell bereits von Beginn an, lautet das Motto.


Dass die Professionalisierung des Golfsports in Siebenmeilenstiefeln voranschreitet, kann vielfach belegt werden. Insbesondere Analysesysteme zur gezielten Erkennung individueller golferischer Schwachstellen des einzelnen Athleten sind die Grundlage trainingswissenschaftlicher Optimierungsarbeit. 

Im Zuge der Saisonvorbereitung des Junior-Teams Germany gewährte uns der Deutsche Golf Verband (DGV) exklusive Einblicke in die Arbeit mit den deutschen Golf-Hoffnungsträgern. Dabei zählen neben dem klassischen Golftraining das Athletiktraining, Teambuilding und die Stärkung mentaler Belastbarkeit in Ausnahmesituationen zu den Kernaufgaben des Trainerstabs im Bundeskader.

Spieler mit Persönlichkeit

Die Tage einer bindenden Ergebnisanalyse, losgelöst von einer individuellen Betrachtung der Persönlichkeit und Leistungsbereitschaft, sind gezählt. Vielmehr geht es im professionellen Nachwuchssport darum, Spielern mit Charakter eine Kaderausbildung zu ermöglichen. „Man muss sich gut überlegen, welcher Spielertyp wie gefördert wird. Fähigkeiten und gute Grundlagen können durchaus die klassische Ergebnisanalyse ausstechen. Es gibt zahlreiche Faktoren, die am Ende eine Rolle spielen. Es ist wichtig, mit Trainern, Eltern und den Spielern ins Gespräch zu kommen, als Bundestrainer auf die Turniere zu fahren, um am Ende das Gesamtpaket und nicht nur die reinen Zahlen beurteilen zu können“, so Kadertrainer Sebastian Rühl.
Ähnlich wie beim gesellschaftlichen Netzwerken, das in der Regel den Aufbau sowie die Erweiterung der eigenen Kontakte fördert, dienen insbesondere der Informationsaustausch und die gegenseitige Hilfe dem Beziehungsaufbau. Letztere sind wesentliche Schlagworte einer zukunftsfähigen und funktionierenden Nachwuchsarbeit im Bundeskader. Die Coaches setzen hierbei ganz gezielt auf das Gespür und Fachwissen ihrer Kolleginnen und Kollegen auf Landes- und Clubebene und stehen in ständigem Austausch. Auf direktem Wege können so Empfehlungen ausgesprochen und Spieler neben den klassischen Sichtungsterminen rekrutiert werden. Erfüllt ein Jugendlicher gewisse Grundkriterien, kann er so mitunter auch auf Empfehlung vom Landestrainer eingeladen werden. Sichtungsveranstaltungen sind dann die letzte große Entscheidungshilfe dafür, wer den Sprung in den Bundeskader schafft.
Die Zusammenarbeit aller Trainer und die faire Betrachtung des individuellen Athleten sind zentrale Bausteine des Erfolgs. Natürlich sind Ergebnisse im Leistungssport wichtig und Spieler qualifizieren sich primär über ein Ranglistensystem. Allerdings ist in den jüngeren Altersklassen eine Top-Platzierung auf internationaler Ebene noch nicht zwingend notwendig. National Erfahrungen zu sammeln und idealerweise das Siegen zu erlernen sowie bei Jugendturnieren auch Niederlagen richtig einzuordnen, darauf liegt das Augenmerk dieser Entwicklungsphase. Jeder Leistungssportler erfährt in seiner Karriere Rückschläge, die im Idealfall seiner Persönlichkeitsentwicklung dienen. Die Gewissheit, schon in jungen Jahren solide Partner an seiner Seite zu haben, erleichtert auch in sportlich schwierigen Phasen, den Fokus auf das Wesentliche nicht zu verlieren. 
„Ich bin sehr dankbar, relativ früh die Förderung des DGV erhalten zu haben. Dadurch konnte ich mich immer auf das Wesentliche – mein Golfspiel – konzentrieren und insbesondere auch international Erfahrungen sammeln. Zudem ist es wichtig, einen starken Partner zu haben, der nicht nur Forderungen stellt, sondern einen auch in schwierigen Zeiten motiviert und Verständnis aufbringt“, sagt Max Schmitt, Professional auf der European Challenge Tour und ehemaliger Kaderspieler des Junior-Teams.

Die Individualität des Team-Spielers

Golfer sind nicht selten als egozentrische Einzelkämpfer verschrien. Was in der Öffentlichkeit oft als Makel abgestempelt wird, weiß man im Team richtig einzuordnen. Es ist wichtig, auf der Runde ohne Unterstützung zu funktionieren. Dennoch ist das Trainerteam der festen Überzeugung, dass es nur mithilfe gemeinsamer Erlebnisse und Emotionen möglich ist, Leistungssportler über Jahre hinweg diszipliniert bei der Stange zu halten. Das Kreieren von gemeinsamen Erlebnissen ist daher unersetzlich. Erlebnisse in der Gemeinschaft schweißen zusammen. Das „(Über-) Leben“ auf einer abgelegenen Berghütte beispielsweise – ohne fließend Wasser, Golf und Mobiltelefon – wird rückblickend genauso gefeiert wie ein individueller Turniererfolg. Holz hacken, selbst kochen und der Austausch untereinander bereitet allen Beteiligten sehr viel Freude und ist ein Stück weit das, wovon der Sport in Gänze lebt, die Emotion. Diese ist auch im Golfsport durch nichts zu ersetzen.
Und dennoch ist die Individualität im Leistungssport elementar. Insbesondere in der Trainingssteuerung müssen im passenden Moment sinnhafte Dinge vermittelt bzw. verabreicht werden. Es wäre fatal, nach kalendarischem Alter eine Gruppeneinteilung vorzunehmen, da dies mitunter im krassen Missverhältnis zum biologischen steht. Regelmäßige Tests zur Ist-Stand-Ermittlung liefern Rückschlüsse auf den Leistungsstand, auf dessen Grundlage höchst individuelle Trainingspläne erstellt werden. 
Auch der psychische Allgemeinzustand wird in regelmäßigen Gesprächen abgefragt und gemeinsam werden diverse Angelegenheiten ganz unabhängig vom Thema besprochen. Ein Übersteuern der persönlichen Belastungsgrenze wäre fatal, somit ist das Mentaltraining im Bundeskader sehr facettenreich. Auch in diesem Aufgabenbereich liegt das Augenmerk auf den bereits erwähnten Emotionen. Allerdings mehr in der Leitung bzw. Kanalisierung unerwünschter Gefühlsregungen. „Das Mentaltraining ist sehr individuell. Auf den Lehrgängen bekommen wir eine grobe Struktur, was man machen kann, um Dinge nüchterner und ohne Emotionen zu beleuchten. Zum Beispiel, nach einem schlechten Schlag die Wut im Bauch zu kontrollieren“, erzählen die Kaderspieler Philipp Katich und Felix Krammer von ihren Erfahrungen.
Individuelle Bearbeitungsbögen dienen der gezielten Auswertung. So werden Handlungen ganz unabhängig vom Ergebnis reflektiert, analysiert und mögliche Wege zur Zielerreichung besprochen. Die Athleten erhalten somit frühzeitig ihr Rüstzeug, um in Grenzsituationen im Idealfall durch strukturierte Gelassenheit zu punkten. Parallel wird ein Maß an Eigenverantwortung und Individualität gefördert. Jeder Nachwuchsspieler wird in regelmäßigen Abständen dazu angehalten, selbst zu reflektieren, wo seine sportliche bzw. persönliche Reise hingehen soll. „Es gibt viele Leute, die sagen, uns fehle ein Stück Kindheit, aber ich sehe es als Chance. Wir dürfen die Welt kennenlernen. Das formt die Persönlichkeit, da sich unser Umfeld vergrößert. Es spielt eine sehr große Rolle in meinem Leben“, sagt Lydia Volkmer, die seit vergangenem Herbst im Junior-Team spielt.

Leistungsdiagnostik: Startschuss einer Reise in die Professionalität

Die Leistungsdiagnostik ist zentrale Kontrollinstanz einer gezielten Förderung und Schulung von Nachwuchsspielern, zugleich Türöffner oder Eintrittsbarriere deutscher Nachwuchsathleten. Ist die Hürde gemeistert, lässt sich die Testbatterie ganz grundsätzlich in drei wesentliche Kategorien unterteilen. Neben der spezifischen Golfdiagnostik sind die Athletik sowie die mentale Schulung Bestandteil der strukturierten Arbeit der Kadertrainer. Betrachtet man die Themenbereiche genauer, erkennt man rasch die Vielschichtigkeit der jeweiligen Fachgebiete. Großes Engagement und enorme Fleißarbeit sind nötig, bis sämtliche Teilbereiche im späteren Gesamtkonstrukt reibungslos funktionieren. Das völlige Herauslösen einzelner, spezifischer Trainingsinhalte ist daher nur in bestimmten Trainingsphasen sinnvoll. Vordergründig geht es um die gezielte Analyse eines komplexen Gesamtkonstrukts. Während im athletischen Bereich die klassischen konditio- nellen Fähigkeiten der Kraft, Ausdauer sowie der Beweglichkeit und Schnelligkeit systematisch abgefragt werden, kommen im golfspezifischen Bereich computergestützte Systeme zur Schlag- und Rundenanalyse zum Einsatz.
Die simpelste golfspezifische Form der Leistungsdiagnostik ist die Rundenanalyse. Die Eingabe jeder gespielten Runde ist für die Kaderathleten Pf licht und führt dazu, dass jedes Loch in Echtzeitanalyse erfasst wird und direkte Rückschlüsse auf mögliche Defizite aufgezeigt werden. „Dank der Rundenanalyse kann man im Verlauf einer Saison gut erkennen, wo Stärken bzw. Schwächen liegen und gezielt Trainingsschwerpunkte setzen“, beschreibt Kaderspieler Laurenz Schiergen den Einsatz des Analysetools. Neben dem Auf- zeigen von Stärken und Schwächen können durch die Analyse zudem Taktiken für fremde Plätze festgelegt und gezielte Trainingssteuerung betrieben werden. Heutige Datensysteme liefern detaillierte Vergleichswerte, die bereits in frühen Entwicklungsstufen umfangreiche Aussagen für das Grundlagentraining mit dem Clubtrainer liefern. „Wir nutzen diese Zahlen in unserer täglichen Arbeit intensiv und können schon bei jungen Athleten gut einschätzen, in welchem Abstand er oder sie sich vom Tour-Durchschnitt bewegt“, erklärt Kadertrainer Christoph Herrmann die Notwendigkeit der Datenerhebung. Es ist unabdingbar, Vergleiche zur internationalen Elite zu ziehen und Orientierungen zu schaffen. Bei all dem Raum für Individualität gibt es gewisse Benchmarks, die Nachwuchsspieler im Hinterkopf behalten müssen. Standardisierte Tests protokollieren die langfristige Leistungsentwicklung. Schlagweiten, Schlägerkopfgeschwindigkeit, Spinrates oder das Trefferbild auf der Schlagfläche sind Daten, die das Gesamtbild eines Athleten vervollständigen.

Trainingswissenschaftlicher Wandel im Golfsport

Betrachtet man die Riege junger Nachwuchsgolfer auf internationaler Ebene, fällt selbst dem Laien eine drastische Veränderung zu früheren Spielertypen auf. Generell sind die Grundathletik sowie die körperlichen Fähig- und Fertigkeiten so massiv gestiegen, dass athletische Maßnahmen im Training der Kaderspieler als Leistungsprüfung zwar über eine Test-Batterie abgerufen werden, aber nicht mehr als Mittel dienen, diese spezifischen Inhalte zu verabreichen. Dynamische Krafttests wie Sprünge, Würfe und Sprints finden ebenso Anwendung wie gezielte Ausdauertests und Überprüfungen auf koordinativer Ebene. Auch die Messtechniken durch radargestützte Messgeräte, Rundenanalyse- Systeme uvm. haben sich bahnbrechend weiterentwickelt und dazu beigetragen, den Golfsport auch sportwissenschaftlich auf solide Beine zu stellen. Festzustellen ist, dass Schlaglänge ein sehr stark leistungsbestimmender Faktor im Golfsport geworden ist. Spieler, die den Ball nicht weit genug schlagen können, spielen im internationalen Vergleich kaum eine Rolle. So ist zu erklären, dass der Fokus auf Athletik in den letzten Jahren stark zugenommen hat und in der Leistungsdiagnostik ein Schwerpunkt darauf liegt.
Athletiktrainer Christian Marysko und sein Team verfolgen die Philosophie, durch instabiles Training Stabilität zu erreichen. Und das nicht zwingend durch Hightech. Klassische Skills wie Kniebeugen, Bankdrücken, Liegestütze und Halteübungen bilden das Gerüst des Grundlagentrainings. Insbesondere in der Saisonvorbereitung arbeitet der Nachwuchs viel im statischen, isometrischen Bereich in Kombination mit dynamischen Dingen zur Optimierung der Schnellkraft. „Am Anfang versuchen wir einen klassischen Muskelaufbau durch Technikschulung, Hanteltraining und viel Körpergewichtstraining zu erreichen. In der zweiten Phase durch Schnellkraft-Methodiken das Ganze dann explosiv zu gestalten und während der Saison durch viele bewegungsspezifische Übungen, zum Beispiel durch Sprünge und Würfe, zu nivellieren“, erläutert Christian Marysko.
Die Athleten werden also sukzessive auf Progression getrimmt, um im späteren Verlauf das muskuläre Wachstum in Schnellkraft umzuwandeln. Heißt, in der Progressionsphase im Winter geht es um klassischen Muskelaufbau durch Technikschulung im Kraftraum. In der zweiten Phase, zum Ende der Vorbereitung, finden Schnellkraftmethodiken Anwendung, die explosive Bewegungen abfragen. Innerhalb der Saison kommen bewegungsspezifische Übungen wie Sprünge, Würfe sowie spezifisches Körpergewichtstraining zum Einsatz, um das Niveau zu konservieren und in der darauffolgenden Vorbereitungsphase neue Wachstumsimpulse zu setzen. „Da wir generell sehr viel mit dem Schläger unterwegs sind, brauchen die Spieler in regelmäßigen Abständen auch mal einen körperlichen Kick. Die Grundathletik wird nicht durch das Ausüben der Sportart trainiert, deshalb ist das Erfahren der körperlichen Grenzen wichtig, um Körper, Geist und den Willen in Einklang zu bringen“, ergänzt Marysko.
Vornehmlich geht es also darum, auch während der Turnierphase das erarbeitete Niveau zu konservieren, um in der kommenden Vorbereitung den nächsten Impuls zu setzen. Ein gesundes Maß an Grund- und Maximalkraft, die komplexe Golfbewegung mittels guter Rumpfmuskulatur schnell kanalisiert abrufen zu können, wird mit stetig wechselnden Trainingsplänen gewährleistet und durch regelmäßige Re-Tests überprüft.

Der Weg zum Erfolg wird geebnet

Festzuhalten bleibt, dass die Jugendlichen im Bundeskader im Laufe ihrer Kaderzugehörigkeit eine große athletische Übungsbibliothek sowie allgemeines und golfspezifisches Wissen ansammeln. Von der eigenen Trainingskonzeption bis hin zu Lösungswegen in Drucksituationen stehen die jungen Athleten nach ihrer Ausbildung auf einem breiten Wissensfundament. Eine großartige Ausgangssituation und gleichzeitig eine gewisse Last, Leistung zu bringen. Die besten Trainingsvoraussetzungen verknüpft mit einer erstklassigen Infrastruktur erhöhen den Druck, Ergebnisse zu liefern spürbar und müssen mit Herz, Willen und Individualität gefüllt werden. Bei aller Bereitschaft, die sportliche Performance steigern zu wollen, steht das Individuum mit seiner körperlichen und geistigen Gesundheit in diesem freundschaftlichen, nahezu familiären Umfeld dennoch jederzeit im Vordergrund.
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