02.08.2016

Einfach zum Nachdenken

golftime
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Bei vorgebeugtem Oberkörper im Durchschwung entstehen gefährlich hohe Belastungen für die Wirbelsäule. Das muss nicht sein.


Da man von fast allen Spitzensportlern hört, dass sich ihre guten Leistungen leicht angefühlt haben, ist dieser Grundsatz wohl auch für den Golfsport gültig. Was sind nun die Voraussetzungen, damit sich ein Golfschwung leicht anfühlt? 
Wir können an dieser Stelle rein mechanisch denken und uns überlegen, wann Bauteile stark belastet werden. Bei dieser Analyse fällt auf, dass besonders Biegemomente zu hohen Belastungen führen. Stellen wir uns als Beispiel eine Säule vor. Wird diese genau entlang ihrer Achse belastet, dann kann sie große Kräfte übertragen. Ist sie geknickt oder gebogen, dann treten in der Säule hohe Spannungen auf, die frühzeitig zum Versagen führen. 
Erste Schlussfolgerung
Bedenken wir nun, dass während des Golfschwunges der Schläger aufgrund der Zentri­fugalkraft kräftig an den Armen zieht, dann ist eine stark vorgebeugte Haltung ungünstig. Somit ergibt sich, dass bei der Verwendung kurzer Schaftlängen und dadurch entstehender deutlichen Vorneigung des Oberkörpers erhöhte Kräfte in der Wirbelsäule entstehen.

Daran ändert es auch nichts, wenn Ihr Schläger für Sie gefittet wurde. Somit wäre die erste Schlussfolgerung, dass man bei genügend stabilen Handgelenken eher längere Schäfte verwenden sollte. 
WARUM WIRD DIESE TATSACHE OFT NICHT BERÜCKSICHTIGT?
Schaut man sich unterschiedlich große Personen an, dann fällt auf, dass alle ähnlich lange Schläger verwenden. Es wird behauptet, dass größere Personen auch längere Arme haben und deshalb keine deutlich längeren Schläger brauchen. Stellen wir aber verschieden große Golfer mit denselben Gelenkswinkeln nebeneinander, dann ergibt sich bei den Größeren eine deutlich erhöhte Distanz entlang des Schaftes zum Boden.
Um diesen Unterschied klein zu halten, wird bei größeren Spielern oft der Lie-Winkel verändert. Der Spieler muss dann im Handgelenk überstrecken und die Gefahr für einen Golfellbogen steigt. Als nächsten Schritt gibt es, so viel ich gelesen habe, eine Korrekturtabelle, in der für große Golfer die Schaftlänge nach unten korrigiert wird. Das können wir uns, auf einen anderen Fall übertragen, folgendermaßen vorstellen. 
Berechnungsmethoden
Sie gehen in ein Schuhgeschäft und der Verkäufer misst bei Ihnen Schuhgröße 44. Anschließend wird Ihnen gesagt, dass große Personen die Zehen mehr krümmen müssen, und aufgrund der Korrekturtabelle bekommen Sie Schuhgröße 42. Wahrscheinlich werden Sie mit diesem Schuh nicht glücklich. Der Vorteil für das Schuhgeschäft, die Lagerhaltung für Schuhgrößen 39 bis 42 ist einfacher als die von 36 bis 47. Für mich als Physiker liegt die Vermutung nahe, dass ähnliche Überlegungen zu Berechnungsmethoden beim Fitten führen. 
Je länger der Schaft des Golfschlägers ist, umso leichter muss der Schlägerkopf werden. In kleinem Rahmen lassen sich diese Unterschiede gut verkraften, bei deutlich erhöhten Schaftlängen müssten jedoch leichtere Schlägerköpfe produziert werden. Falls dem so ist, wäre das für die Fertigung und für die Lagerhaltung von Nachteil.
Geschäftsmodell
Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es auch Gründe gibt, aus denen kürzere Schäfte tatsächlich von Vorteil sind. Vielleicht ist es leichter, den Ball gut zu treffen, oder es lassen sich die Schlagweiten besser steuern. Aber wurde Ihnen schon einmal angeboten, tatsächlich einen Schläger mit 3,5 Inch Überlänge zu probieren? Einfach einmal zu spüren, wie sich der Golfschwung mit einer etwas aufrechteren Körperhaltung anfühlt.

Ein riesen Fortschritt ist es ja schon, dass es wesentlich mehr Fairwayhölzer gibt als früher, da diese ja meistens auch längere Schäfte haben als die entsprechenden Eisen. Aber in mir keimt der Verdacht auf, dass das Geschäftsmodell, zusätzliche Hölzer zu verkaufen, der Lösung, Eisen mit längeren Schäften zu vertreiben, vorzuziehen ist. 
Belastung der Wirbelsäule
So habe ich als Physiker und Biomechaniker einfach nur einmal laut gedacht. Vieles blieb unberücksichtigt und ich bin mir sicher, dass diejenigen, die seit Jahren mit voller Überzeugung und in hoher Qualität fitten, mir einige Gegenargumente bringen können. 
Für den Golfer bleibt jedoch der Belastungseffekt für die Wirbelsäule. Je stärker ich im Schwung vorgeneigt bin, umso größer ist in den meisten Fällen die Belastung der Wirbelsäule. Um die Leichtigkeit im Golfschwung zu fühlen, ist das kontraproduktiv.
Dr. Christain Haid ist Biomechaniker an der Universitätsklinik Innsbruck. [email protected].

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