Der gebürtige Münchner ist einer der charismatischsten Charaktere im deutschen Profilager. Marcus Brunnthaler hat den Mann „mit Tiefgang“ zum Interview-Termin im GC St. Leon-Rot getroffen.
Das Jahr 2016 war das bisher erfolgreichste in der achtjährigen Profikar-riere von Florian Fritsch: Nach 23 Turnieren auf der Evolve, Challenge und European Tour in diesem Jahr, hat der geborene Münchner, der im Alter von zehn Jahren im Golf Club Pfaffing, rund 30 Kilometer östlich der bayerischen Landeshauptstadt, das Golfspielen erlernte, mit insgesamt rund 280.000 Euro Preisgeld die Tourkarte 2017 fix in der Tasche.
Den Erfolg muss sich der 32-Jährige, der nach einer überaus erfolgreichen Amateurkarriere 2009 ins Profilager wechselte, dabei etwas härter erarbeiten als so manch anderer seiner Tourkollegen. Bedingt durch eine inzwischen fest verankerte Flugangst, die ihn seit 2005 begleitet und über die er ganz offen spricht, legt Fritsch, der drei Jahre in Columbia, South Carolina, das College besuchte, die Strecken zwischen den Turnieren in seinem BMW 320d Touring zurück. Unterbrochen von ein paar wenigen Fährstrecken.
Herr Fritsch, herzlichen Glückwunsch zu einer erfolgreichen Saison 2016, vor allem gegen Ende. Wie würden Sie Ihr Jahr zusammenfassen?
Die Saison war aus meiner Sicht, wenn ich das Spielerische betrachte, sehr ausgeglichen. Das heißt, ich habe während der ersten Hälfte auch ganz ordentlich gespielt, da gab es inhaltlich keine großen Unterschiede zur zweiten Hälfte. Der einzige Unterschied lag darin, dass es hinten raus einfach besser lief. Da hatte ich vielleicht den ein oder anderen besseren Bounce, wichtige Putts sind gefallen oder ich habe schlechte Schläge zu einem „besseren“ Zeitpunkt gespielt. Oder der Ball war beispielsweise nicht im Aus, sondern nur im Semi-Rough. Das Momentum hat hier mehr gestimmt, wodurch dann auch bessere Ergebnisse zustande kamen und dadurch auch das Selbstvertrauen wuchs.
Drei siebte Plätze beim Omega European Masters, bei der Alfred Dunhill Links Championship und der Porsche European Open in Bad Griesbach – waren das auch Ihre persönlichen Highlights in diesem Jahr?
Definitiv. Wobei für mich das Highlight in Crans Montana war (Omega European Masters, Anm. d. Red.), weil ich merkte, dass sich dort etwas geändert hatte: Ich war mit –9 ans letzte Loch gekommen und hatte mehr Lust darauf, das Birdie zu –10 zu machen, als Angst davor, mit einem Bogey zurückzufallen. Dieser Kick, dieser Hebel, diese Ver-änderung hat bei mir mental bewirkt, dass ich auch in den nächsten Turnieren mehr nach vorne orientiert gespielt habe, statt etwas abzusichern, was ich vermeintlich zu haben glaubte. Danach hat dann auch das Momentum mitgespielt und ich konnte noch einige gute Ergebnisse einfahren.
Als feststand, dass Sie die European Tourkarte für 2017 sicher haben, wie haben Sie das gefeiert?
Meine persönliche Feier kommt noch, und zwar immer dann, wenn ich sehe, wie meine Familie sich auf die einzelnen Turniere freut. Meine Frau hat beispielsweise gesagt, dass sie sehr gerne bei den diversen Turnieren an den Aktivitäten der Spielerfrauen teilnehmen würde. Beim British Masters organisieren sie unter anderem einen speziellen Ladies Day. Und auch meine Kinder haben bei den Turnieren sehr viel Spaß. Bei mir kommt die Freude daher etwas verspätet, ich werde rückblickend auf diese schönen Ereignisse mit meiner Familie sehr viel Freude verspüren.
Stichwort Familie: Ihre Frau Inga hat Sie dieses Jahr vereinzelt bei Turnieren als Caddie begleitet, was durchaus mit Erfolg gekrönt war. Waren das Momentaufnahmen oder soll dieses Konzept weitergefahren werden?
Inga hatte sich sehr gewünscht, in Bad Griesbach (Porsche European Open, Anm. d. Red.) Caddie zu machen. Das war eigentlich nicht geplant, aber ich habe gesagt: „Gut, probieren wir das.“ Und das hat dann auch sehr gut funktioniert. Durch mein Ergebnis – und vielleicht auch den Sieg im Team, beim Pro Am 2015 mit Michael Ballack – habe ich dann eine Einladung zur Alfred Dunhill Links Championship erhalten. Ich habe ihr gesagt, wie schön es dort war und dass sie unbedingt mitkommen solle. Und sie sagte nur: „Alles klar, ich komme mit und würde dann aber auch am liebsten gleich wieder Caddie machen.“ Und so kam es dann auch. Ich muss dazu aber auch sagen, dass das keine Überraschungstorte war, Inga hatte bereits 2011 ein Jahr lang für mich Caddie gemacht. Dass heißt, sie weiß, was sie tun muss und wie sie mir in manchen Situationen helfen kann. In Bad Griesbach hatten wir dann meine Eltern dabei, die haben sich um die Kinder gekümmert. Bei der Alfred Dunhill war meine Schwägerin dabei und so hat das dann alles sehr gut geklappt.
Ist für die Zukunft ein fester Caddie geplant?
Es ist auf jeden Fall ein fester Caddie geplant. Ich rechne nächstes Jahr mit ungefähr 20 Turnieren, von denen ich eine große Zahl mit einem festen Caddie bestreiten werde. Es wird aber dennoch so sein, dass ich zwei, drei Turniere mit meiner Frau am Bag spielen werde – etwa die Alfred Dunhill oder Bad Griesbach.
Ein Thema um Ihre Person ist Ihre Flugangst, die Ihren Turnierkalender einschränkt. Wie gehen Sie damit um, werden Sie auch weiterhin zu den Turnieren mit dem Auto fahren?
Ich glaube, dass ich aus der Situation etwas sehr Positives ziehen kann. Wenn man sich den Turnierkalender anschaut, ist man irgendwann im November fertig mit der Turniersaison und im Dezember geht es gleich wieder los. Das heißt, die Zeit dazwischen, zur Regeneration, Erholung, zum Training, zum Besserwerden und Erarbeiten bzw. Erlernen von neuen Fähigkeiten, ist eigentlich nicht vorhanden. Ich habe da erzwungenermaßen einen größeren Zeitraum zwischen dem Ende der vorherigen Saison und dem Beginn der neuen. Das gibt mir mehr Zeit, mich zu erholen und die neuen Fähigkeiten unter Turnierbedingungen auszuprobieren, dann etwa, wenn ich nach Spanien, zu meinem kleinen „Turnier-Trainings-Vorbereitungs-Lager“ reise. Im Anschluss wird verfeinert, geschaut, was funk-tioniert hat und was nicht, um dann damit in die neue Turniersaison zu starten.
Das Zweite ist: Natürlich habe ich einen sehr komprimierten Turnierplan, was bedeutet, dass ich von Mai bis Oktober eigentlich durchgehend weg bin. Glücklicherweise bin ich das aber gewohnt, denn als Amateur habe ich zeitweise auf drei, vier unterschiedlichen Hochzeiten gleichzeitig getanzt. Ich habe in den USA die College-Saison gespielt, kam dann im Sommer zurück nach Deutschland und bin im Nationalkader angetreten, bei Clubturnieren und bei Turnieren auf Landesebene. Es war also für mich nichts Ungewöhnliches, mehrere Wochen am Stück zu spielen. Und auch die Belastung war enorm, wir haben zum Teil Turniere mit 36 Loch am Tag gespielt. Wenn ich an die Bundesliga damals denke, an die Mannschafts-EM, die Baden-Württembergischen Landesmeisterschaften. Das heißt, die Belastung war damals viel höher als heute und ich denke, diese Situation hat mich sehr gut auf die heutige vorbereitet und hat dazu geführt, dass ich jetzt damit gut zurechtkomme. Die Statistiken, die ich führe, belegen zudem, dass ich nicht mit einer allzugroßen Müdigkeit bei Turnieren ankomme, dass ich gut in die Turniere starte und konkurrenzfähig bin.
Sie haben versucht, das Problem mit psychologischer Hilfe zu lösen. Das hat nicht geholfen …
Ich habe insgesamt zwölf Therapien ausprobiert, auf unterschiedlichen Ebenen: Von IMDR über klassische Psychotherapie, Hypnose, Autosuggestion, Fremdsuggestion. Ich habe ein klassisches Flugangst-Seminar am Frankfurter Flughafen besucht, aber nichts hat geholfen. Es gab sogar ein, zwei Situationen, bei denen die Therapie es noch verschlimmert hat. Ich saß zum Beispiel bei einem Flugangst-Seminar in Frankfurt in einem Kreis mit zehn anderen. Da hat jeder seine Geschichte erzählt und die einzelnen Themen wurden auf einen Block geschrieben. Dann standen da am Ende acht Gründe, warum man Angst vor dem Fliegen haben könnte. Ich sitze also da und denke mir: Hey, Punkt drei und sieben sind eigentlich valide, warum hatte ich davor eigentlich noch keine Angst? Ich bin also am Ende des Tages mit einem Problem hin- und mit drei Problemen nach Hause gefahren.
Ich habe zudem zwei Freunde, die Piloten sind. Mit denen bin ich regelmäßig diverse Berichte durchgegangen. Ich muss aber leider sagen, dass einige Bedenken, die ich hatte, auch durch sie bestätigt wurden. Das hat dem Ganzen natürlich nicht geholfen. Es gab zwar einige gute Ansätze, die alle ihre Berechtigung haben. Bei mir haben sie aber leider nicht angeschlagen, in manchen Punkten das Problem eher schlimmer gemacht.
Was war die Ursache des Problems, gab es da einen bestimmten Vorfall?
Ja, ich kann mich konkret an eine Situation erinnern, zuvor bin ich problemlos geflogen und habe mir nie Gedanken dazu gemacht. Das war ein Flug von Frankfurt nach Turin, zur Einzel-EM 2005 nach Biella. Bei diesem Flug hat es über den Alpen so sehr geruckelt wie noch nie zuvor. Und da habe ich mir zum ersten Mal Gedanken darüber gemacht, worin ich eigentlich sitze, das ganze Phänomen Flugzeug also. Ich habe dann meinen damaligen Nationaltrainer, der neben mir saß, gefragt, was denn passieren würde, wenn etwas passiert. Und der hat nur geantwortet: Wenn etwas passiert, dann geht es recht schnell.
Von dieser Situation an war die Flugangst bei mir aber noch nicht mit voller Macht da, sondern sie wuchs mit der Zeit. Zunächst war das nur eine Art Wahrnehmung, dann ein Interesse an der Situation, dann ein Unwohlsein hin zur Skepsis, bis schließlich Angst daraus wurde. Das ging über einen Zeitraum von fünf Jahren, bis 2010. Da habe ich dann beschlossen, dass es zuviel für mich war und ich flog von da an nicht mehr. Ich habe es dann noch drei Jahre lang mit Therapien versucht und bin auch punktuell in Flieger gestiegen, durfte dann oft auch vorne im Cockpit mitfliegen.
Wurde es dadurch etwas besser?
Nicht wirklich, denn ich wusste ja, dass ich mich noch immer in 13 Kilometern Höhe befinde. Ich war zwar etwas abgelenkt durch die Piloten, aber dennoch immer wieder froh, wenn ich auf dem Boden war.
Was ich spannend fand, war ein Gespräch mit Prof. Jürgen Margraf, einem Angst- und Phobienforscher, der mir erzählte, dass er und sein Team ein Gen im menschlichen Körper entdeckt haben und isolieren konnten, das für Höhenangst zuständig sein soll. Und da Höhenangst beim Fliegen ja sehr relevant ist, hat mich das insofern beruhigt, als es scheinbar normal ist, in solchen Situationen Angst verspüren zu können. Das wiederum hat mich angeregt, darüber nachzudenken, ob es überhaupt gerecht ist, Menschen mit Flugangst als Phobiker zu bezeichnen. Wenn also Autofahren 16 Mal so gefährlich ist wie Fliegen, warum gibt es dann keine Anti-Autofahrangst-Seminare?
Angenommen, Sie qualifizieren sich nächstes Jahr für die Race-to-Dubai-Play-offs. Dann müssten Sie gezwungenermaßen wieder in ein Flugzeug steigen.
Wenn die Situation eintritt, dass ich mich für die Finalturniere qualifiziere, dann heißt das zunächst nicht, dass ich sie auch spielen muss. Das Wort „Muss“ gibt es also an der Stelle nicht. Ich kann. Ich kann teilnehmen, muss aber nicht. Wenn es aber dazu kommen sollte, werde ich erst einmal überlegen, in welchem Zustand ich mich befinde und ob ich mir das zutraue. Und dann erst würde ich eine Entscheidung treffen. Des-wegen kann ich das jetzt noch nicht konkret beantworten.
FLORIAN FRISCH
Zahlen & Fakten
Geburtstag: 29.10.1985
Geburtsort: München
Frau: Inga
Kinder: zwei
Wohnort: Heidelberg
Heimatclub: GC St. Leon-Rot
Karriere
Mit dem Golfspielen begonnen: 10 Jahre
Wo: Golf Club Pfaffing
Profisiege: 23
Höchster Siegerscheck: € 103.887 (A. Dunhill Links Championship 2016)
Official World Ranking: 351
Race to Dubai: 101
Amateur: Nationalkader von 2002 – 2008
5 x Deutscher Mannschaftsmeister
4 x Deutscher Ranglistensieger
Goldene DGV Ehrennadel (2006)
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