Marcel Schneider spricht über die European Tour, den omnipräsenten Längenwahn und erklärt, weshalb ihm eine Visitenkarte dabei hilft, seinen Schwung zu stabilisieren.
Marcel Schneider hat sich in diesem Jahr als Zweiter in der Gesamtwertung der Challenge Tour für die European Tour qualifiziert. Der Deutsche blickt auf eine intensive und einzigartige Saison zurück. Im Gespräch verrät er, wie er sein Spiel weiter verbessern will, was er von Bryson DeChambeaus Transformation hält und gibt Tipps, wie auch Amateure ihr Golfspiel auf die nächste Stufe heben können.
Herr Schneider, schafft man es als Golf-Profi in der Zeit zum Jahreswechsel die Finger von den Schlägern zu lassen?
Marcel Schneider: Das fällt mir nicht wirklich schwer. Aktuell werde ich sicher bis nach Weihnachten schwungfrei bleiben. Meiner Erfahrung nach schadet das ganz und gar nicht – eher im Gegenteil.
Vor allem nach dieser nicht ganz einfachen Saison?
Ja, es war ein sehr spezielles Jahr unter den Gegebenheiten. Ich bin wirklich glücklich, wie ich gespielt habe, aber es hat Kräfte gekostet. Vor allem durch die Reiserei und die lange Zeit in den Hotels. Man ist wirklich in schönen Unterkünften, aber kann nichts unternehmen. Andererseits habe ich mangels Alternativen auch die ein oder andere Einheit mehr auf der Driving Range eingelegt. Das hat sicher nicht geschadet.
Im kommenden Jahr sind Sie auf der European Tour unterwegs. Der Aufstieg ist geglückt. Wie groß ist der Unterschied zwischen den Ligen?
Der Unterschied ist da, keine Frage. Die Plätze sind schwieriger, die Namen prominenter, aber ich versuche, mich auf mich zu konzentrieren. Ich weiß, woran ich arbeiten muss, um besser zu werden. Die Liga spielt dabei nicht die große Rolle.
Marcel Schneider: Augenmerk auf das Putting
Welcher Teil des Spiels hindert Sie am meisten daran, noch besser zu werden?
Das ist relativ einfach: das Putten.
Wo genau liegen die Probleme beim Spiel auf den Grüns?
Ich habe ein sehr gutes Gefühl, wenn es um die Distanzkontrolle bei langen Putts geht. Da bereiten mir auch sehr wellige Grüns keine Probleme. Daher ist meine Drei-Putt-Quote auch sehr gering. Was mir oft schwer fällt ist, genügend Putts in der sogenannten „Birdie-Range“ zu verwandeln. Ich sehe da einen Unterschied zu den Konkurrenten auf der EuropeanTour.
Eine Schwäche, die mental nicht immer einfach wegzustecken ist.
Das kann sich im Kopf schon festsetzen, ja. Was die Abschläge betrifft und auch die Annäherungen, bin ich auch auf der European Tour vorne dabei. Da kann es bitter werden, wenn man sich auf den Grüns dann nicht belohnt.
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Gibt es technische Probleme bei der Putt-Bewegung?
Meine Tendenz sind Pulls, in diesem Fall komme ich dann mit minimal geschlossenem Schlägerblatt an den Ball. Ich arbeite wirklich hart daran, das zu verbessern.
Welche Übungen helfen Ihnen weiter?
Das Prinzip ist immer gleich. Ich muss sicherstellen, dass der Ball gerade vom Blatt weg geht. Es geht bei der Ausrichtung los. Oft trainiere ich auch mit Clips auf dem Schlägerblatt oder zwei Kugeln, durch die ich putten muss. Ab und an hilft mir auch mein Caddie dabei, mich korrekt auszurichten.
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Ihr voller Schwung wirkt makellos, aber für sie persönlich gibt es sicherlich auch Baustellen. Woran arbeiten Sie, was die Technik betrifft?
Ich bin wirklich happy über meinen Schwung bzw. Technik. Ab und an habe ich die Tendenz im Durchschwung hinter den Ball zu fallen und ihn einen Hauch fett zu treffen. Oft versuche ich dann auch, den Fehler durch ein übertriebenes Rollen der Hände zu kompensieren. Der Fehlschlag ist dann meist links und ein paar Meter zu kurz.
Was kann man dagegen im Training tun?
Ich denke es ist normal, dass sich der Schwung im Verlauf der Runde/Turnier verändert. Sollte sich das Problem einmal verfestigen, helfen mir zumeist ein paar einfache Drills.
Diese Drills haben mir geholfen…
Welche Drills haben Sie während Ihrer Laufbahn am meisten nach vorne gebracht?
Im langen Spiel sicherlich eine Übung, wo ich eine Visitenkarte kurz vor den Ball lege und versuche, diese nicht zu treffen. Das hilft mir ungemein, Druck auf den Ball zu bekommen und den beschriebenen Schwungfehler zu korrigieren. Während der Turnierwoche hilft mir mein Caddie auch dabei, indem er den Griff des Schlägers an meine rechte Kopfseite hält. Wenn ich mich darauf konzentriere, im Abschwung nicht anzustoßen, geht es meist schnell besser.
Wie intensiv verläuft der Austausch mit ihrem Trainer Richard Fries während einer Saison?
Ich kenne Richard schon sehr lange, er hat mich schon als kleiner Junge trainiert :-). Ich schicke ihm des Öfteren Schwungvideos und er gibt mir Feedback. Während dieser Spielzeit haben wir aber keine großen Korrekturen vorgenommen. Es lief wirklich gut.
Wie wichtig ist die Qualität im Training für Sie? Und wie definieren Sie die Schwerpunkte?
Ich bin ein Statistik-Freak und sammle wirklich viele Daten zu meinen Runden. Alles wandert in eine große Excel-Tabelle. Da erkennt man gut, auf was man Wert legen sollte.
Spielen technische Hilfsgeräte wie Foresight, Trackman und Co. dabei eine wichtige Rolle?
Für mein Putt-Training habe ich mir ein Analyse-Tool gekauft, dass mir beim Training ebenfalls hilft, gegen die Fehlertendenz zu arbeiten. Mein Trackman kommt meistens zum Einsatz, wenn ich an der Längenkontrolle arbeite. Die ganzen Zahlen, Winkel und sonstige Werte sind für mich nicht so wichtig.
Marcel Schneider über DJ und Bryson
Dustin Johnson hat durch intensives Wedge-Training sein Spiel nochmals auf eine neue Stufe heben können. Was für einen Stellenwert hat das Spiel aus unter 100 Metern für Sie im Training und welche Varianten trainieren Sie in diesem Bereich?
Grundsätzlich nutze ich mit meinen vier Wedges diverse Schwungvarianten. Das betrifft den Bereich zwischen 50 und 110 Metern, wo man den Schwung etwas verkürzen muss. Unter 50 Metern arbeite ich nicht systematisch, sondern vertraue meinem Gefühl. Welche Schlagvariante und welchen Schläger ich verwende, hängt von den Bedingungen ab.
Was muss alles kalkuliert werden?
Zum Beispiel die Beschaffenheit der Grüns: Ist es nass oder trocken? Steckt die Fahne hinten oder vorne? Bisweilen kommt der Grain, also die Wuchsrichtung des Grüns ins Spiel. Und natürlich auch der Wind. Ich kann Flughöhe, Spin und Kurve beeinflussen – und mittlerweile habe ich eine ganz gute Kontrolle in diesem Bereich.
Bryson DeChambeau konzentriert sich aktuell eher auf einen anderen Teil des Spiels, obwohl sein kurzes Spiel wirklich überragend ist. Wie sehen Sie seine Entwicklung, manifestiert sich da gerade eine neue Herangehensweise á la “Grip it and rip it”?
Ich habe großen Respekt vor dem, was Bryson geleistet hat. Sicher ist es ein großer Vorteil, den Ball 20 oder sogar 30 Meter weiter zu schlagen, ich sehe aber auch Risiken. Zum Beispiel die Verletzungsgefahr.
Was man als Amateur besser machen kann…
Ist zusätzliche Länge auch für Sie ein Schwerpunkt?
Ja und nein, auch ich trainiere mit Speed Sticks, um noch den ein oder anderen Stundenkilometer rauszuholen, aber ich setze dabei immer auf eine Ausgewogenheit mit der Präzision. Ich kenne ein paar Kollegen, die es einigermaßen radikal versucht haben. Einige sind grandios gescheitert. Es bringt nichts, zehn Meter weiter zu schlagen, wenn man pro Runde ein bis zwei Bälle verliert.
Ich frage für einen Freund: Wie kann man als ambitionierter Amateur seine Herangehensweise optimieren, um sein Spiel zu verbessern?
Das ist natürlich nicht ganz einfach. Meiner Erfahrung nach sollte man die Qualität im Training hochfahren, lieber eine kurze und konzentrierte Session einlegen, als planlos Bälle zu schlagen. Aber gleichzeitig auch viel auf den Platz gehen. Wichtig ist auch, so oft wie möglich ein paar Zocks mit Freunden zu machen, das schärft das Spiel unter Druck. Beim Golf muss man akzeptieren, dass man öfter auf die Mütze bekommt, als glückselig vom Platz zu spazieren. Das liegt in der Natur dieses Spiels. Da kann ich als Profi ganz gut mitreden.
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