Beim Kick-off-Turnier der Mercedes-Benz After Work Golf Cup-Turnierserie stand uns Markenbotschafter Marcel Siem Rede und Antwort.
Seine Ergebnisse der letzten Monate weisen die Gleichmäßigkeit einer Achterbahnfahrt mit Sechsfachlooping auf, trotzdem sieht er sich auf dem richtigen Weg. Im Interview verriet er GOLF TIME, warum wir uns ab 2017 auf den besten Marcel Siem aller Zeiten freuen dürfen.
»Ein geteilter dritter Platz in China, Runden mit bis zu 83 Schlägen in Indien oder Irland – wie erklärst du dieses Auf und Ab?«
Ich habe im Oktober 2015 eine ziemlich radikale Schwungumstellung begonnen. Da war mir bewusst, dass ich erst einmal ein paar Rückschläge erleben werde. Wenn man nach 26 Jahren das Take-away so verändert, dass man andere Muskelgruppen anspricht und die Position auf dem Höhepunkt des Rückschwungs eine komplett neue ist, dann ist das enorm ungewohnt. Weil ich diese neue Bewegung im Training permanent wiederholt habe, entstanden einige kleine Verletzungen wie ein Tennisarm oder aktuell eine Entzündung eines Muskelansatzes und einer Sehne in der Schulter. Das sind natürlich alles Sachen, die man nicht braucht und die mich zurückwerfen. Doch ich sehe bei Turnieren wie in Abu Dhabi (T5) oder China, dass sich, sofern ich alles richtig mache, irgendwann die gewünschte Konstanz einstellt. Auch wenn ich jetzt etwas schneller schwinge, werden trotzdem sogar die Fehlschläge besser und ich kann eine Runde unter Druck zusammenhalten.
»Was war der Auslöser, diesen Schritt zu gehen?«
Günter (Kessler) wollte diese Veränderung bei mir schon vor ca. 15 Jahren durchführen, aber ich habe es damals immer abgelehnt. Als ich jedoch nach meinen drei Siegen (Open de France, Trophée Hassan II., BMW Masters) und meiner guten Weltranglistenposition trotzdem zweimal die Qualifikation zur PGA Tour über die Web.com-Finalserie vermasselt habe, hat mich das gewaltig genervt. Immerhin hatte ich die ganze Saison darauf ausgelegt und bin dafür große Risiken eingegangen. In einer ruhigen Minute habe ich alles nochmal Revue passieren lassen und mir eingestanden, dass die Konstanz, um langfristig unter den Top 50 der Welt zu spielen und regelmäßig in den Top 10 eines Turnierfelds mitmischen zu können, einfach nicht da war. Das war der auslösende Moment. Ich möchte unbedingt ein Global Player sein und halb in den USA, halb in
Europa spielen. Dafür arbeite ich gerade.
»Wie sieht die Umstellung technisch gesehen aus, was machst du anders?«
Ich habe mein Take-away immer mit einer Unterarm-Rotation gestartet, dadurch war das Schlägerblatt offen. Jetzt winkle ich sofort. Dadurch stelle ich das Schlägerblatt am höchsten Punkt square zur Ziellinie und kreuze den Schläger nicht mehr. Früher war das Schlägerblatt offen und ich musste die rechte Schulter reinnehmen. Dadurch kam ich etwas von außen an den Ball. Dank der optimierten Position kann ich bedenkenlos runterschwingen, ohne dass die rechte Schulter rüberkommen muss. Dadurch entsteht eine ideale Draw-Position. Knifflig für mich ist jedoch, dass ich immer noch eine Rotationstendenz im Treffmoment habe. Und dann ist das Schlägerblatt plötzlich zu, was kombiniert mit der Schwungrichtung von innen im ungünstigsten Fall einen Pull-Draw ergibt. Die wilden Runden, wie bspw. in Indien, resultierten daraus.
Ebenfalls neu und wichtig ist, dass ich nicht mehr ausschließlich über die linke Schulter aufdrehe und dadurch Gefahr laufe, in eine Kippbewegung zu geraten. Jetzt verlagere ich mein Gewicht im Rückschwung wirklich nach rechts. So richtig natürlich fühlt sich das alles jedoch noch lange nicht an, aber ich bin auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass ich, sofern die Verletzungen schnell auskurieren und keine neuen hinzukommen, spätestens im Winter 2016 vollständig im neuen Schwung angekommen bin.
»Es gab auch sonst einige Veränderungen: neuer Trainer, neuer Caddie und der Zopf ist auch ab…«
Ich habe 26 Jahre mit Günter Kessler zusammengearbeitet. Er ist auch heute noch ein sehr guter Freund und Berater. Doch ich habe eine Veränderung und frische Ansätze gebraucht, die ich mit meinem
neuen Trainer Damian Taylor gefunden habe. Mit meinem Caddie Guy Tilston habe ich drei Turniere gewonnen. Aber nach dreieinhalb Jahren und vor allem nach der schwierigen USA-Phase – in der es nur Misserfolge und kaum Preisgeld gab und man vier Wochen aufeinanderhing – kamen negative Gefühle auf. Da haben wir beschlossen, lieber weiterhin Freunde zu bleiben, aber uns an diesem Punkt zu trennen.
Meinen neuen Caddie, den Iren Brian Martin, hat mir mein Kumpel Nicolas Colsaerts bzw. sein Caddie Brian Nilsen empfohlen, der eng mit Brian (Martin) befreundet ist. Er ist übrigens ein hervorragender Golfer mit Handicap +4. Er hat früher mit Padraig Harrington Amateurgolf gespielt. Ich brauche vor allem jemanden, der lustig drauf ist und der mich mental bei der Stange halten kann. Es gibt Caddies, die wollen dir erzählen, wie man Golf spielen müsste. Das geht bei mir nicht, dazu bin ich ein viel zu kreativer Spieler. Nur wenn es total wild wird, darf er in mein Spiel eingreifen, sonst nicht.
Was den Pferdeschwanz angeht, so waren meine Töchter begeistert davon, dass ich ihn abgeschnitten habe. So etwas tragen doch nur Mädchen, haben sie gesagt. Doch wahrscheinlich wird er wieder zurückkommen, denn mit den kurzen Haaren fühle ich mich nicht wirklich wohl. Darum züchte ich gerade schon wieder.
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