Oftmals bekommen wir die Frage gestellt, wie entsteht eine Decision? Was muss dafür passieren? Wer hat das angestoßen?
Wir schreiben das Jahr 2000. EPD Winterseries in Nordspanien. Das Wetter sehr durchwachsen, kühl und stark windig. Im Flight von Don Jaly ein Däne und ein Schotte. Der Schotte hat gerade das letzte Par 3 mit einem Doppelpar beendet und seinen Ball aus Frust einfach weggeworfen. Am Tee 8 wartet schon der Referee mit der Aufforderung, das Spiel zu beschleunigen. Nachdem Don Jaly und der Däne nun schon abgeschlagen haben, kramt der Schotte einen 3er Sleeve aus der Tasche, unmarkiert – teet auf. „Titleist 4“ hört der Referee. Der Schotte schlägt ab. Ein leichter Hook befördert seinen Ball – halb verdeckt von einem Hügel in Richtung Rough und dem dahinterliegenden Wasserhindernis.
Da er nun nicht weiß, ob sein Ball außerhalb des Wasserhindernisses oder innerhalb liegt, überlegt er kurz und nimmt wieder seinen Sleeve aus der Tasche. In Anbetracht der Tatsache, dass der Referee schon ungeduldig auf seine Uhr schaut, nimmt er den nächsten Ball unmarkiert aus dem Sleeve und teet ihn auf. „Titleist 4 provisorisch“.
Referee-Entscheidung
Klare Ansage – aber der Ball fliegt mit fast der gleichen Kurve in die Richtung seines Vorgängers. Der Referee kommt nun mit, denn er könnte ja mit seiner Hilfe das Spiel beschleunigen. Nach ca. 210 m hinter dem Rough, aber noch vor dem Wasserhindernis, findet der Schotte nun beide Bälle direkt nebeneinander. Beide Titleist 4, beide unmarkiert. Er kann also nicht sagen, welcher sein erster und welcher sein zweiter Ball ist. Somit müsste er eigentlich zum Abschlag zurück.
Hier entschied nun der Referee, dass einer der Bälle auf jeden Fall weitergespielt werden sollte, da es sich eindeutig um seine beiden Bälle handelte. Dieser sollte aber auf jeden Fall der provisorische sein. Nach diesem Vorfall entstand die Decision 27/11 mit all ihren Lösungen.
Decision 27/11 – Provisorischer Ball kann vom ursprünglichen Ball nicht unterschieden werden
Ein Golfer spielt einen provisorischen Ball vom Abschlag in denselben Bereich wie seinen ursprünglichen Ball. Beide Bälle haben identische Kennzeichen und der Spieler kann sie nicht unterscheiden. Nachfolgend verschiedene Situationen und Lösungen, die auf Billigkeit (Regel 1-4) beruhen, wenn einer oder beide Bälle innerhalb der fünfminütigen Suchzeit gefunden werden und die der jeweiligen Situation entsprechenden Umstände gegeben sind:
Situation 1:
Ein Ball wird in einem Wasserhindernis gefunden, der andere wird nicht gefunden.
Lösung 1:
Der gefundene Ball gilt als der provisorisch gespielte Ball.
Situation 2:
Beide Bälle werden in einem Wasserhindernis gefunden.
Lösung 2:
Da der Spieler keinen der Bälle als seinen ursprünglichen Ball identifizieren kann, gilt dieser als in dem Wasserhindernis verloren (siehe entsprechende Entscheidung 27/10). So muss der Spieler bezüglich des ursprünglichen Balls nach Regel 26-1 verfahren (dazu muss er – falls erforderlich – den Punkt schätzen, an dem der Ball zuletzt die Grenze des Hindernisses gekreuzt hat – siehe Entscheidung 26-1/17); sein nächster Schlag ist dann sein dritter.
Situation 3:
Ein Ball wird auf dem Platz gefunden, der andere wird nicht oder im Aus gefunden.
Lösung 3:
Der auf dem Platz gefundene Ball gilt als der provisorisch gespielte Ball.
Situation 4:
Beide Bälle werden – entweder in spielbarer oder unspielbarer Lage – auf dem Platz gefunden und (1) ein Ball ist in einem Wasserhindernis, der andere nicht oder (2) beide Bälle liegen im Gelände oder in einem Bunker.
Lösung 4:
Man könnte davon ausgehen, dass jeweils beide Bälle als verloren gelten. Aber es wäre unbillig, vom Spieler zu verlangen, dass er zum Abschlag zurückgehen und dort seinen dann 5. Schlag spielen muss, obwohl er beide Bälle gefunden hat, aber nicht sagen kann, welcher von beiden der ursprüngliche und welcher der provisorische ist. Daher muss der Spieler einen der beiden Bälle auswählen, ihn für seinen provisorischen halten und den anderen aufgeben.
Dr. Ulrike Gartz und Holger Gartz haben seit 1997 über 250 Turniere und Turnierserien im Profi- und Amateurbereich veranstaltet und organisiert. Als Spielleiter sind beide seit 2005 im Golfverband Niedersachsen-Bremen tätig. Dr. Ulrike Gartz hat die Prüfung zum R&A Referee 2011 mit Erfolg bestanden.
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