04.09.2022 | 15:19

Bernhard Langer Buch – Comeback nach der großen Krise

Als Kapitän des europäischen Ryder Cup Teams 2004 war Bernhard Langer in der Nähe von Detroit in den USA erfolgreich
Reinhold Schnupp
Reinhold Schnupp

GOLF TIME druckt in zwei Teilen exklusiv Auszüge aus dem neuen Buch „Alt werden nur die anderen“, das der frühere „WELT am SONNTAG“-Redakteur Reinhold Schnupp zum 65. Geburtstag Bernhard Langers geschrieben hat. Der erste Teil schildert, wie der zweimalige US-Masters-Sieger einen Fehlschlag bewältigt hat, den er dennoch nie vergessen wird.


Bernhard Langer ist über die schweren Putt-Krisen, die ihn in seiner Karriere allerdings mehrfach käftig durchschüttelten, immer wieder hinweggekommen. Die erste erlebte er schon in den 70er-Jahren, also am Anfang seiner Karriere. Bei den Madrid Open in Puerta del Hierro startete er damals mit einer Acht an dem Par-4-Loch.

Um den Ball ins Loch zu schubsen, hatte der Deutsche vier Putts benötigt. Und bei einem Turnier in St. Mellion in England, bei dem er an der Zehn startete, waren es dann wieder acht Schläge an einem Par-4-Loch, die er sich auf der Scorekarte notieren musste.

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Und als er an dem folgenden Par 3 gleich noch ein Doublebogey folgen ließ, „überlegt man sich dann schon, welches Flugzeug das nächste nach Hause ist“, erinnerte sich Langer bei einem Interview, das ich 1993 mit ihm für die Zeitschrift „GOLF SPORT“ geführt habe.

+++ Zum Thema: Bernhard Langer wird 65: Happy Birthday! +++

Bernhard Langers Sinnkrise

Bereits Mitte der 70er-Jahre befiel Langer eine Sinnkrise. Die 1977 zu einem denkwürdigen Gespräch mit seinem Bruder Erwin im Wohnzimmer des Elternhauses führte. „Es brach förmlich aus Bernhard heraus. Langer wusste nicht mehr weiter. Er spielte besser als die meisten anderen Pros, doch die anderen gewannen, weil sie besser putten konnten.

Er war verzweifelt und fragte sich, ob es überhaupt einen Sinn habe, als Pro weiterzumachen“, erinnerte sich Erwin Langer bei einem Gespräch 1994 in Anhausen. Die Turniererfolge, die Langer danach holte, änderten jedoch nichts daran, dass das Problem Langers, seine Schwäche beim Putten, längst noch nicht erledigt war. Die härteste Zeit erlebte Langer nämlich nach dem Gewinn des Epson Grand Prix 1988.

Er war zwar in den Monaten zuvor sehr erfolgreich und hatte, wie er selbst sagt, „konstant sehr gutes Golf“ gespielt. Doch darauf folgten Monate, die Langer als das „Schlimmste von allem“ bezeichnete. Gemeint war damit vor allem, dass er auf den Grüns mitunter hilflos wirkte und erneut selbst aus kurzen Distanzen zum Loch scheiterte.

Die Monate der Erfolglosigkeit stellten ihn auf eine harte Probe, die er jedoch auf eine für ihn typische Weise meisterte. Er schaffte das unter anderem auch dadurch, dass er den neuen Griff beim Putten entwickelte, der den Einsatz der Handgelenke minimierte.

Er musste sich dazu tief nach unten beugen, den Schaft des Putters an seinen linken Unterarm klemmen, was natürlich seinen Rücken stark belastete. Aber nach gut einem Jahr schaffte er es, 1989 mit den Spanish Open in El Saler bei Valencia wieder ein Turnier zu gewinnen.

Ein Befreiungsschlag

Langer fiel ganz und gar nicht leicht. Das kann man auch daran ermessen, dass sein härtester Widersacher in der letzten Runde in Spanien mit Paul Carrigill ein eher unbedeutender Profi war, der nie ein Turnier gewinnen konnte auf der europäischen Tour. Der Engländer konnte lange Widerstand leisten, zumal sich Langer noch einen eher ungewöhnlichen Fehler erlaubte.

An einem Par-5-Loch zog er den Driver aus seiner Tasche, um vom Fairway aus das Grün zu erreichen. Bei keiner anderen Gelegenheit habe ich jemals beobachten können, dass er mit dem Holz eins von der Spielbahn aus den Ball geschlagen hätte. Langer wollte die Entscheidung erzwingen – und schlug seinen Ball mitten in einen Busch nahe des Grüns.

Erst nach intensiver Suche fand er den Ball unter den Zweigen – natürlich in einer unspielbaren Lage. Glücklicherweise konnte er den Ball mit einem Strafschlag, nachdem er ihn besser gelegt hatte, weiterspielen und sogar noch das Par an diesem Loch retten. So schaffte der Masters-Sieger am Ende noch recht souverän das ersehnte Comeback als Sieger.

Zehnmal spielte Bernhard Langer selbst für das europäische Ryder- Cup-Team.
Zehnmal spielte Bernhard Langer selbst für das europäische Ryder-Cup-Team.

Ein Erfolg, der wie eine Befreiung wirkte und ihm ein paar Jahre später auch seinen zweiten Sieg in Augusta beim US Masters ermöglichte. Damals konnte man vielleicht das erste Mal ermessen, dass Langer eine lang anhaltende Karriere haben würde. Er war zäh, wirkte unermüdlich in seinem Streben nach Erfolg, und ging schon fast rigoros gegen seine eigenen Schwächen vor.

Doch Langer ist eben nicht nur entschlossen, wenn es um die Verwirklichung seiner sportlichen Ziele geht. Er verfügt auch über eine für Leistungssportler oft typische Mentalität, die Kritik an ihm abperlen lässt. Vor allem dann, wenn sie nach seiner Meinung unberechtigt ist.

Erfolg mit dem langen Putter

Voll ausgestattet mit Säge und Besenstiel: Bernhard Langer
Bernhard Langer mit dem langen Putter

Seit vielen Jahren setzt Langer einen langstieligen Putter ein, der ihm bis zum Brustbein reicht. In den ersten Jahren fixierte die linke Hand den Griff in Brusthöhe. Langer war nicht der Einzige, der diesen Griff wählte, dessen Vorzug darin bestand, dass die Handgelenke bei diesem Putter kaum mehr eine Rolle spielen.

Auch die ehemaligen US-Masters-Sieger Vijay Singh und Adam Scott wählten diesen Schläger, und sie setzten den Longtail-Putter mit großem Erfolg ein. Die Fortschritte, die mit diesem Spielgerät möglich wurden, blieben den Mitbewerbern wie den Regelhütern nicht verborgen. Zwar wurde der Longtail-Putter dann nicht verboten, doch die Fixierung am Brustbein wurde untersagt.

Long-Putter: Spezielle Technik

Wer also einen solchen Putter weiter einsetzen wollte, durfte die Hand am Puttergriff nicht mehr am Brustbein anlegen. Die meisten Spieler wählten in der Folge dann einen anderen Schläger, doch nicht so Langer. Er setzt bis heute den Putter mit extra langem Griff ein, was ihm den Vorwurf eingetragen hat, er würde verbotenerweise einfach wie ehedem weite spielen.

Seine linke Hand liegt nämlich so dicht am Körper, dass auf den ersten Blick der Abstand zur Brust nicht erkennbar ist. Langer muss sich deswegen auch immer wieder die Kritik anhören, er würde das Regelwerk austricksen – aber er bleibt davon vollkommen unbeeindruckt.

Langer und sein Ersatz-Putter
Bernhard Langer

Bei einer Produktion mit dem Hamburger Profifotografen Stefan von Stengel ließ sich Langer beim Putten von unten ablichten. Von Stengel lag für die Aufnahmen zwischen den Beinen Langers. Ziel dabei war es, dass der Fotograf durch seine Bilder den Nachweis führen sollte, dass sehr wohl ein Abstand zwischen Griff und Brustbein besteht.

Langer jedenfalls setzt das Spielgerät unbeirrt weiter ein, ohne dafür von den Schiedsrichtern sanktioniert zu werden. Er weiß natürlich sehr genau, was er tut. Heute agiert er auf den Grüns zuverlässig und konstant, und genau das konnte er in seiner Vergangenheit eben nicht leisten.

Langer schreit seinen Schmerz heraus

Wendungen in seiner Karriere, wie er sie erlebt hat, hätte vermutlich kaum ein anderer so bewältigen können. Bei dem schon angesprochenen Ryder Cup etwa auf Kiawah Island 1991 hatte es ausgerechnet Langer in der Hand, den Europäern den imageträchtigen Titel beim „War on the Shore“ zu erhalten. Natürlich war es wieder einmal ein Putt, der die Entscheidung herbeiführen sollte.

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Natürlich wieder am 18. Grün … Vom Sieg gegen Hale Irwin aus den USA hing die Titelverteidigung für die Europäer ab. Langer ließ sich wie so oft viel Zeit für seinen Putt aus knapp zwei Metern. Er untersuchte die Puttlinie akribisch, beriet sich mit seinem Caddie Pete Coleman. Er war schließlich bereit zum Putt vor einem Publikum, das den Atem anhielt – und schob den Ball um Millimeter am Loch rechts vorbei.

Einer der treuesten Wegbegleiter Langers war Caddie Peter Coleman (im Hintergrund die berühmte Ben Hogan Bridge in Augusta). Der Engländer trug die Tasche auch bei Langers zweitem US-Masters-Sieg 1993.
Einer der treuesten Wegbegleiter Langers war Caddie Peter Coleman (im Hintergrund die berühmte Ben Hogan Bridge in Augusta). Der Engländer trug die Tasche auch bei Langers zweitem US-Masters-Sieg 1993.

Bernhard Langer sackte daraufhin in sich zusammen. Und er schrie, was selten vorkommt, seinen Schmerz heraus. Es war eine empfindliche Niederlage, eine vor den Augen der Golfwelt. Die Übertragung, die nicht nur ihn, sondern sein Team betraf, sollen 20 Millionen Menschen im Fernsehen verfolgt haben.

„Diesen Putt werde ich bis zum Ende meines Lebens spielen. Der wird nie aus dem Kopf gehen“, sagte Langer direkt nach der Runde. Die Reportage über den Ryder Cup 1991 in der Zeitschrift „GOLF SPORT“ begann mit den Worten: „Er war als ehemaliger Masters-Sieger gekommen, als einer der besten Golfer der Welt. Als Bernhard Langer Kiawah Island verließ, war er nur noch der Mann, der DEN Putt verpasste.“

Langers Gegner Hale Irwin versuchte die Situation Team-Kapitän Bernhard Gallacher sah, dass „Bernhard Tränen in den Augen hatte, als er zum Mannschaftsbus kam“. Die Karriere als Ryder-Cup-Spieler konnte Langer jedoch fortsetzen – bis 2002. Zwei Jahre später wurde er dann sogar zum Kapitän der europäischen Auswahl berufen. Eine besondere Ehre, weil nie zuvor ein Deutscher für dieses Amt berufen worden war.

Historischer Ryder-Cup-Erfolg

Mit 24 gewonnenen Punkten bei 42 Matches erreichte nur Nick Faldo eine bessere Bilanz als Spieler. Als Kapitän scheiterte der Engländer jedoch grandios. Während Langer mit seinem Team einen Sieg holte, der in die Geschichtsbücher des Golfsports einging. Die Europäer unter Langer siegten nämlich nicht nur mit 18,5 zu 9,5 und erreichten damit den höchsten Sieg gegen das US-Team in der fast 100-jährigen Geschichte dieser Veranstaltung, sondern sie holten diesen Erfolg auch noch in der Nähe von Detroit in Michigan.

Als Kapitän war er 2004 mit seinem Team in der Nähe von Detroit in den USA erfolgreich.
Als Kapitän war er 2004 mit seinem Team in der Nähe von Detroit in den USA erfolgreich.

Mit anderen Worten, es war ein Auswärtserfolg vor den Augen der fanatischen amerikanischen Fans. Einmalig an der Veranstaltung dürfte es auch bleiben, dass der US-Kapitän Hal Sutton die zu jener Zeit besten Golfer der Welt als Duo auf den Platz schickte. Doch Tiger Woods und Phil Mickelson, die eigentlich unbezwingbar hätten sein sollen, verloren ihr Match.

Beide Profis waren alles andere als Freunde. Ihr Verhältnis hatte sich über viele Jahre durch ihre harte Konkurrenzsituation definiert. Deswegen scheiterte auch der gutgemeinte Versuch Suttons, durch diese Paarung ein Fanal, ein Ausrufezeichen für die Verbundenheit des US-Teams zu setzen.

Langer spielte diese Fehleinschätzung in die Hände. Am Ende durfte er die goldene Trophäe, die vielleicht die wichtigste im Golfsport ist, in Bloomfield Hills, ganz in der Nähe des Herzens der amerikanischen Autoindustrie, an sich drücken und küssen.

Seine Spieler, zu denen auch der von ihm nominierte Colin Montgomerie gehörte, trugen ihn schließlich auf ihren Schultern vom 18. Grün. Damals jedoch, als Langer jenes Match gegen Hale Irwin nicht zum Erfolg der Europäer nutzen konnte, wusste er natürlich noch nicht, dass auch dieser Teil seiner Karriere, die Teamwettspiele beim Ryder Cup, ein großer Erfolg werden würden.

Bernhard Langer – ein zäher Bursche

Ein Rückschlag jedoch, wie er ihn auf Kiawah Island verkraften musste, kann eine Karrieren beenden. Krisen auslösen, bei manchem sogar Depressionen hervorrufen. Langer jedoch packte damals seine Sachen, stieg in den Flieger nach Deutschland und gewann nur eine Woche später das von ihm selbst mit veranstaltete German Masters in Stuttgart-Mönsheim. Im Stechen am ersten Extra-Loch gegen den Australier Rodger Davis.

Bernhard Langer: Das ist schwer, da gab es so viele. Wahrscheinlich 1991 beim Ryder Cup in Kiawah Island, als der entscheidende Putt von mir daneben ging und wir deshalb verloren haben.
Bernhard Langer  1991 beim Ryder Cup in Kiawah Island, als der entscheidende Putt daneben ging …

In der Reportage über dieses Turnier schrieb ich damals: „Er ist ein zäher Bursche, obwohl man ihm das nicht ansieht. Er ist penibel und würde wohl auch beim letzten Putt, vor dem bereits sein Ausscheiden am Cut feststünde, so genau Maß nehmen und sich so viel Zeit lassen, bis den Zuschauern die Haare zu Berge stünden.

Er ist hart gegen sich selbst, sonst hätte er, wie er selbst sagte, auch das Turnier nicht gespielt… Langer ist bis zur Selbstaufgabe diszipliniert, für manch einen hat er fast selbstzerstörerische Züge. Angespornt wird er von einem niemals erlahmenden Ehrgeiz, dazu hat er einen Zwang zur Perfektion.

Und Langer hat Eigenschaften, für die ihn viele, vor allem deutsche Berufskollegen, bewundern, andere kritisieren. Er kann verdrängen, er kann freundlich sein, und ist dabei jederzeit höflich unverbindlich. Er lässt niemanden so dicht an sich heran, dass man auch nur einen Augenblick in das Innerste des Menschen Bernhard Langer blicken könnte.

Und so handelte der Anhausener eben wie der Turmspringer, der gerade eine saubere Bauchlandung vom 10-Meter-Brett hingelegt hat. Er kletterte die Stufen unverdrossen wieder hinauf, weil man ein solches Trauma sofort bewältigen muss. Jedem Zweifel, jeder Schwäche, jeder Ermüdung zum Trotz – und legte eine butterweiche Landung hin.“

Eine bemerkenswerte Persönlichkeit

Wenn man Langer heute trifft, dann vermittelt er nicht nur den Eindruck, sich und anderen noch etwas beweisen zu müssen. Sondern er lebt einfach seine Werte, die ihm wichtig sind. Und dazu gehört auch, sich niemals von Problemen unterkriegen zu lassen. Langer hat nie Wert darauf gelegt, durch seine Persönlichkeit Wirkung zu erzielen, andere zu beeindrucken. Mit anderen Worten – durch kluge Bemerkungen oder eine Form der Präsentation aufzufallen, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Reinhold Schnupp beim Hausbesuch in Anhausen nach der Saison 2021
Reinhold Schnupp beim Hausbesuch in Anhausen nach der Saison 2021

Besuche in Talkshows, im ZDF-Sportstudio oder ähnlichen Sendungen kann man an einer Hand abzählen. Zweimal war er dann doch in Mainz zu Besuch. 1983 und gleich zu Beginn der 90er-Jahre; beim zweiten Mal kam er nicht allein ins ZDF-Sportstudio.

An seiner Seite war mit dem Spanier Severiano Ballesteros eine der schillerndsten Figuren der internationalen Golfwelt. Eine Person, die ihn viele Jahre begleiten sollte. Der er immer wieder begegnete und die ihm den Weg zu großen Triumphen versperrte, ob er nun wollte oder nicht …

Das Buch zum Jubiläum

Reinhold Schnupp: Das Phänomen Bernhard Langer – Alt werden nur die anderen
Reinhold Schnupp: Das Phänomen Bernhard Langer – alt werden nur die anderen

Reinhold Schnupp hat die Karriere von Golf-Star Bernhard Langer über fast vier Jahrzehnte journalistisch begleitet und viele große Erfolge hautnah miterlebt. Er hat ihn sowohl in seinem Geburtsort Anhausen als auch in seiner heutigen Heimat in Boca Raton / Florida besucht und dabei die private Seite eines der größten deutschen Sportidole kennengelernt.

In seinem Buch geht er auch der Frage nach, wie es Langer schafft, auch mit über 60 Jahren, als Teil der „Silver Generation“, außergewöhnlich vital, fit und leistungsstark zu bleiben. Was können wir vom Menschen und Golfer Bernhard Langer lernen?

Reinhold Schnupp: Das Phänomen Bernhard Langer – Alt werden nur die anderen. 

Preis: € 24,90 (Hardcover, gebundene Auflage, 144 Seiten), ISBN: 978-3-8857-958-27 Verlag: Köllen Druck + Verlag GmbH

Info: www.bernhardlanger.de

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