01.09.2017

Danke der Nachfrage – Nein!

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Man kann sich an den Restfingern eines minderbegabten Holzfällers ausrechnen, dass die einstige Lichtgestalt des Golfsports nie wieder ein bedeutendes Turnier gewinnen wird. Ein Kommentar von Götz Schmiedehausen.
Outet man sich im Verlauf einer Golfrunde unvorsichtigerweise als Golfjournalist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die neugeschlossene Vier-Stunden-Bekanntschaft die eine Frage stellt, mit der man die Mitglieder meiner Zunft seit Jahren unablässig quält: „Wird Tiger je wieder ein erfolgreiches Comeback gelingen?“ Eine kurz und bündig abschließende Antwort wäre: „Lass mich mal eben überlegen … nein!“ Doch meist bleibt man höflich und spult das Standard-Referat ab.
Denn auch wenn man nicht mit Tigers ellenlanger Krankenakte vertraut ist oder all seine inneren Dämonen mit Vornamen kennt, kann man sich an den Restfingern eines minderbegabten Holzfällers ausrechnen, dass die einstige Lichtgestalt des Golfsports nie wieder ein bedeutendes Turnier gewinnen wird. Im Grunde genügt schon ein Besuch beim Jugendtraining im lokalen Golfclub.  Da sieht man reihenweise Grundschüler, deren Schwung schon jetzt mehr Eleganz ausstrahlt, als diese auf dem Reißbrett entstandene Aneinanderreihung zahlloser Schmerzvermeidungsbewegungen, die Tiger Woods’ aktuellen Golfschwung ausmachen. So ungezwungen, natürlich und vor allem mit so vielen frei beweglichen Wirbelkörpern und Knochengelenken hat Woods zuletzt in einer Zeit geschwungen, in der George W. Bush gerade noch das Interieur des Weißen Hauses nach seinen Vorstellungen umgestalten ließ.
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Goldene Perspektive dank Tiger
Nicht zuletzt aus Respekt vor Spielern wie Bobby Jones, Jack Nicklaus oder eben Tiger Woods verbietet sich eigentlich die logische Folgefrage, nämlich, ob es früher einfacher war, als überragender Spieler eine ganze Ära zu prägen. Seit Tiger nach seinem U.S.-Open-Sieg 2008 in den Sonnenuntergang gehumpelt ist, konnte sich jedenfalls kein weiterer „Dominator“ mehr etablieren.
Doch ist nicht Tiger selbst der Grund dafür, dass es im modernen Golfsport keinen einsamen Überflieger mehr geben? Durch sein Erscheinen wurde das Nischenprodukt Profigolf zum Mainstream-Phänomen. Dank Tiger verdient heute jeder Spieler mit einer PGA-Tour-Karte automatisch Millionen und weiß, dass er selbst nach einer durchschnittlichen Karriere finanziell ausgesorgt haben sollte. Diese goldene Perspektive lässt natürlich weltweit Begehrlichkeiten entstehen, was gleichbedeutend ist mit einem deutlich härteren Wettbewerb um die rar gesäten Futterplätze.
Golfboom in Asien
In Asien bspw. schießen seit Jahren professionelle Nachwuchszentren wie Pilze aus dem Boden, in denen unzählige Heranwachsende systematisch gesichtet, gesiebt und schließlich wie Hochleistungssportler trainiert werden. In Südkorea wurde der Golfboom vornehmlich durch die Erfolge von Se Ri Pak auf der LPGA Tour Ende der Neunzigerjahre ausgelöst. Heute kommen 40 der besten 100 Spielerinnen der Welt aus Südkorea. Über die PGA Tour wird diese Flut, wenn auch mit etwas Zeitverzögerung, ebenfalls unweigerlich hereinbrechen.
Dank Tiger Woods’ Inspiration kamen weltweit unzählige Talente mit Golf in Berührung, die sonst vielleicht nie ein Fairway betreten hätten – darunter sicherlich auch so mancher Dustin, Jordan, Jason oder Rory. Diese Dynamik kennt man von jeder Sportart, die zum „Big Business“ mutiert ist. Tiger war zudem der erste echte Athlet im Golfzirkus und ist verantwortlich dafür, dass moderne Golfprofis kein Sixpack mehr trinken, sondern unter dem Golfshirt spazieren tragen.
Aber wie so viele Pioniere muss Woods einen hohen Preis zahlen, denn seine Art zu Spielen taugt nicht für die Ewigkeit. Eine erfolgreiche Ü50-Karriere wie die von Jack Nicklaus, Arnold Palmer oder Bernhard Langer lässt sein Körper nicht mehr zu. Trotzdem freue ich mich auf Tiger Woods’ nächstes „Comeback“, das zweifelsohne vornehmlich dem Bankkonto zuliebe stattfinden wird. Weniger jedoch auf die Frage, die es unweigerlich exhumiert. Die Antwort lautet: „Nein!“
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