Die „55+“-Mitglieder sind Brot und Butter jedes Golfclubs. In diesem Alter nagen die zwei großen „K“ (Kinder, Karriere) für gewöhnlich nicht mehr ganz so hungrig an der Lebenszeit, dafür durfte meist schon am eigenen Leib erfahren werden, dass nun die Uhr selbst scharfe Zähne besitzt. – Von Götz Schmiedehausen
Schon im Alter von 25 Jahren setzt beim menschlichen Körper der Alterungsprozess ein, weshalb sich das Gros der Golfer mit einem in der fortschreitenden Selbstauflösung befindlichen Vehikel herumschlagen muss. Viele Spieler, die ohnehin erst im Seniorenalter ihre Liebe zum Golf entdeckt haben, empfinden dieses Schicksal als unkritisch. Für sie ist Golf vornehmlich eine Freizeitbeschäftigung, die körperlich und geistig gesund halten soll.
Ganz anders sieht es bei den einstigen Platzhirschen aus, die es früher gewohnt waren, Clubmeister-Titel zu gewinnen, Bruttoreden zu schwingen und unter der Golfkappe einen vollen Haarschopf vorzufinden. Für diese elitäre Spielergruppe bietet Golf mit den Jahren einen idealen Nährboden für eine schleichende Altersdepression.
Probleme zu „connecten“
Mit 18 Jahren war er noch das gefeierte Vorzeigetalent des Clubs, ein Spitzengolfer mit Plus-Handicap, der von einer Karriere auf der Tour träumte. Doch beim Vergleich auf nationaler Ebene stellte dieser große Fisch aus dem Golfclubteich schnell fest, dass er sich im Freiwasser als eher kleiner Hecht ausnahm. Nach einer Dekade, die in erster Linie von Ausbildung und Berufseinstieg geprägt war, verwaltet unser einstiger Serienclubmeister ein solides Handicap 4, versteht sich jedoch noch immer als Leistungsträger der 1. Mannschaft. Bis er irgendwann ernsthafte Schwierigkeiten bemerkt, mit seinen scheinbar immer jünger werdenden Mitspielern zu „connecten“.
Diese Jungs, die ihn doch erst gestern noch mit schüchterner Bewunderung während seines Trainings beobachtet hatten, dreschen die Kugel nun allesamt wenigstens 30 Meter weiter als der ehemalige Champion und faseln zudem fortwährend unverständliches Zeug. Der Ball im Aus ist ein „Epic Fail“ und alle im Team heißen aus einem unerfindlichen Grund „Alter!“ mit Vornamen.
„Yolo, Alter!“
Und schon einen Tag nach dem 30. Geburtstag wird „der Opa“ schließlich mit einem fröhlichen „Yolo, Alter!“ vom Mannschaftskapitän (18 Jahre, 1. Semester „Irgendwas mit Medien“) zur AK 30 entsorgt. Dort kann er sich jedoch zumindest als „die Geheimwaffe, die uns in die Bezirksliga Gruppe 4 pushen wird“ feiern lassen.
In den folgenden 20 Jahren führen die eingangs vorgestellten zwei „K“ dann allerdings dazu, dass die einzige golferische Einstelligkeit, die er noch auszuleben imstande ist, die Anzahl der im Jahr gespielten Golfrunden darstellt. Als dann endlich die zweite Blütezeit im Leben eines Golfers anbricht, darf unser Spitzengolfer von damals bei der Clubmeisterschaft auch schon beim Kampf um den Seniorentitel mitmischen.
Einsatz des Leder-Wedges
Nun ist vor allem eine gefestigte Persönlichkeit gefragt, die es akzeptieren kann, dass die im Alterskontext durchaus noch beachtlichen Golfqualitäten der Gegenwart nichts mehr mit den Superlativen des Jünglings von einst zu tun haben. Leider mutiert in dieser Phase so mancher Ex-Scratcher zum „Reverse Bagger“, dem jedes Mittel recht ist, um das niedrige Handicap zu konservieren. Sei es durch das Leder-Wedge, den Radiergummi oder das Vortäuschen einer Verletzung, wenn der Schonbereich in unerreichbare Ferne entrückt ist. Dabei beweisen Bernhard Langer oder Gary Player, dass Spitzengolf keine Frage des Alters sein muss. Junge Golfer bewundern die erfahrenen Senioren für ihr magisches Kurzspiel oder ihre Präzision von den Abschlägen.
Wer es jedoch so gar nicht verarbeiten kann, dass die Landezonen von einst nur noch vom Seniorenabschlag zu erreichen sind, sollte sich lieber Sportarten zuwenden, in denen alterslose Maschinen wie Boote oder Autos die Hauptrolle spielen, deren Leistungsfähigkeiten durch Geldmitteleinsatz unendlich steigerbar sind.
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