22.09.2016

Die Ruderentenfrage

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»Sonst gab es keine besonderen Vorkommnisse, mal abgesehen 

davon, dass 

unser Gastronom das Champions-Dinner mit einem Champignon-Essen verwechselt hatte«

In diesem Sommer veranstalteten wir in unserem Club Schwimmkurse und Tauchlehrgänge, um den Herausforderungen des Spielalltags gerecht zu werden. Sonst gab es keine besonderen Vorkommnisse, mal abgesehen davon, dass unser Gastronom das Champions-Dinner mit einem Champignon-Essen verwechselt hatte. Das fiel jedoch nicht auf, weil der Brexit die Diskussion beherrschte.
Der Verfall des britischen Pfunds hatte Präsident Fahrenbach erneut auf die Idee gebracht, einen englischen Golflehrer zu importieren. Auf eine diesbezügliche Anfrage bei der regionalen Handelskammer wurde ihm davon jedoch abgeraten, solange die Ruderentenfrage nicht geklärt sei.
„Was meint die IHK mit Ruderentenfrage?“, wandte sich Fahrenbach an mich. Meine Recherche führte zu einer Meldung der Daily Mail aus dem Jahr 2014, nach der britische Enteriche regelmäßig nach Spanien flogen, um mit weiblichen Weißkopf-Ruderenten zu verkehren. Die britischen Ruderenten-Männchen mit ihren schwarz-weißen Köpfen sind nämlich (ähnlich den englischen Golfprofessionals) für ihren wilden Appetit nach Sex bekannt.
Jedes Jahr fliegen sie nach Südspanien, wo sie mit den weiblichen Exemplaren der seltenen spanischen Weißkopf-Ruderenten verkehren. Diese spanischen Weibchen bevorzugen britische Männchen, ähnlich den deutschen Golferinnen, die sich von englischen Pros gerne zeigen lassen, wie man den Kopf unten hält.
Die britischen Enten mit ihren schwarzweißen Köpfen, so klagte Madrid in dieser Meldung, dürften den spanischen Enten mit den weißen Köpfen nicht die Weibchen wegnehmen, denn die spanischen Weißkopf-Ruderenten seien vom Aussterben bedroht. Die Beschwerde der spanischen Regierung bei den Briten führte zu diplomatischen Verwerfungen. Solange das nicht ausgestanden sei, schloss ich mein Referat, würde die Handelskammer vom Import englischer Golflehrer abraten.
„Ru-der-enten“, murmelte Fahrenbach und machte sich wieder auf den Weg zur Driving Range. Dort übte er jetzt täglich. Um unsere amtierende Clubmeisterin Brigitte Langer mit dem Gewinn eines „Longest Drive“ zu beeindrucken, war er auf der Suche nach maximaler Ballbeschleunigung. Er hatte sogar überlegt, einen Golflehrer aus dem Nachbarclub um Rat zu bitten. Der Gedanke wurde jedoch schnell verworfen, nachdem Fahrenbach beobachtet hatte, wie dessen Opfer auf dem Platz dilettierten.
Da niemand im Club einen ähnlich langen Drive wie Brigitte Langer zu schlagen vermochte, kam Fahrenbach schließlich auf die Idee, die Dame selbst zu fragen. Sie hatte den Ball bereits in ihrer ersten Golfstunde vor ein paar Jahren an die 200-Meter-Marke gedonnert, und nachdem sie sich die Platzreife zusammengeschossen hatte, wurde sie mit Laura Davies verglichen. Nur an der Zielgenauigkeit haperte es noch, weshalb man ihr riet, bei jedem Schlag laut FORE zu brüllen.
Wenn Brigittes FOOORE über die Auen donnerte, säuerte die Milch in den umliegenden Dörfern, gebaren Kühe tote Kälber, verdunkelte sich der Himmel und jegliche Kreatur, die ungeschützt auf dem Platz umherkroch, erzitterte vor Angst. Doch schließlich lernte sie das Zielen und wurde Kapitänin unserer Damenmannschaft.
Der verliebte Romantiker Fahrenbach, der in Brigitte die Inkarnation jener Agnes Flack wähnte, die P. G. Wodehouse in seinen Romanen beschrieb, zitterte, als er sich ihr auf der Driving Range näherte. „Ist der Spieler, den Sie kürzlich mit Ihrem Drive umgenietet haben, aus der Reha zurück?“, begann er das Gespräch etwas ungeschickt. Brigitte schwieg. „Stört es Sie, wenn ich hinter Ihnen trainiere?“ Brigitte, die gerade eine weitere Beule in das 200 Meter Schild gedroschen hatte, hielt inne, betrachtete das dürre Männlein und schüttelte verwundert den Kopf, was Fahrenbach als Zustimmung interpretierte.
Seitdem stand er täglich hinter ihr auf der Driving Range und versuchte ihren Abschlag zu imitieren, was so sinnlos wie aussichtslos war – bis er es mit einem neuen Schwung-Mantra probierte: RU-DER-ENTEN! Da flog sein Ball so enorm weit, dass er an der 150-Meter-Markierung ausrollte, worauf Brigitte sich erstaunt umdrehte und Fahrenbach vor Glück rote Backen bekam.

EUGEN PLETSCH, Jahrgang 1952, Autor von fünf satirischen Büchern (z. B. „Der  Weg der weißen Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015), lebt als Schriftsteller bei Gießen. Legendär sind seine Lesungen in Golfclubs, wo er als Mitarbeiter des „Golftherapeutischen Pflegediensts“ live aus der Grünen Hölle berichtet. Kontakt: [email protected]
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