Beim Masters im November wird sich vieles um die Personalie Bryson DeChambeau drehen. Kaum ein Spieler polarisiert gerade mehr. Kann er das Spiel auf ein neues Level heben?
Augusta, 1997: Tiger Woods beginnt gerade, sich in die Geschichtsbücher einzutragen. Colin Montgomerie geht beim Masters am Samstag mit dem neuen Stern am Golfhimmel auf die Runde. Nach dem gemeinsamen Gang über die geschichtsträchtigen Bahnen von Augusta ist der Schotte fassungslos.
Denn Montgomerie, damals die Nummer drei der Golfwelt, beobachtete, wie ein junger Emporkömmling das Spiel auf eine neue Stufe bewegt. Auf der zweiten Bahn bretterte Woods seinen Ball an die 100 Meter weiter als sein Spielpartner den Hang hinunter, schlug kurze Eisen in Grüns, die Montgomerie kaum mit dem Holz erreichen konnte, legte seine Abschläge an Stellen ab, an denen es weit und breit keine Divots im Rasen zu sehen gab.
Es sei Golf auf einem Niveau, so Montgomerie, wie es weder er noch kein anderer zuvor jemals gesehen hatte. Von dieser Aprilwoche an entwickelte sich der Profi-Golfsport von Wampe zu Waschbrettbauch. Fitness und Athletik rückten in den Vordergrund. Neben der Weiterentwicklung des Materials ist dies die Hauptursache dafür, dass man heute über eine Reglementierung der unwirklichen Drive-Weiten debattiert.
Bryson DeChambeau: Parallelen zu Woods
Bryson DeChambeau war damals drei Jahre alt. Es ist nicht übermittelt, ob er bereits die Liebe zum Golfsport entdeckt hatte. Parallelen sind zu erkennen. Denn wenn in diesem November die besten Golfer der Welt nach Augusta kommen, um verspätet das Rennen um das grüne Jackett zu eröffnen, dreht sich vieles um die Personalie DeChambeau.
Kein anderer Golfer polarisiert die Golfwelt wie der 27-jährige Kalifornier. Seine Ansätze sind eigen: wissenschaftlich, nicht immer ästhetisch. Schrittweise versucht sich DeChambeau seine individuelle Leistungsgrenze nach oben zu verschieben. Die Eisen haben die gleiche Länge, der Schwung strahlt nicht die Woodsche Mischung aus Kraft und Eleganz aus, seine Putttechnik wirkt hölzern und seine Statur entwickelt sich immer mehr in Richtung der des jungen Schwarzeneggers.
DeChambeau hat das Golfspiel seziert, analysiert und für sich herausgefunden, dass ihm diese Transformation auf ein neues, besseres Niveau heben könnte. Er schlägt den Ball deutlich weiter als früher und weiter als 99 Prozent der Kollegen. Nicht immer gerade, aber da bei dieser Länge die Schläge ins Grün wesentlich kürzer sind, spielt das oft nicht die große Rolle.
Erster Major-Sieg ausgerechnet bei der U.S. Open
Der Amerikaner hat kürzlich ausgerechnet bei der U.S. Open seinen ersten Major-Sieg einfahren können. Bei einem Turnier, das den Spielern mit extrem tiefen Rough das Leben schwer machen soll. Mit Wedges und kurzen Eisen in der Hand wird das tiefe, saftige Gras jedoch ein ganzes Stück harmloser.
Matthew Fitzpatrick gehört nicht zu den längsten auf der Tour. Ihm missfällt die Entwicklung, dass Spieler belohnt werden, die den Ball einfach nur unglaublich weit schlagen können. Seiner Meinung nach sollte es darum gehen, den Ball gerade schlagen zu können. Fitzpatrick sprach davon, dass das Spiel so zum Spott wird. Denn 20 Kilo schwerer werden und den Ball 50 Meter weiter schlagen, könne ja jeder.
Oft ins Hintertreffen gerät bei der DeChambeau-Debatte die Tatsache, dass der Amerikaner sehr zielgerichtet und schlau agiert. Die Muskeln wuchsen dabei, ohne die Beweglichkeit einzuschränken. Monatelanges hochintensives und maximal effektives Training liegen hinter ihm. Zudem gilt der Ryder-Cup-Spieler auch im kurzen Spiel zu den besten der Welt.
Gary Player ist fasziniert von Bryson DeChambeau
Im Golf geht es bekanntermaßen darum, den Ball mit möglichst wenig Schlägen ins Loch zu befördern. Um nichts anderes geht es auch DeChambeau. Und aktuell gelingt dies keinem anderen Golfer besser.
Golflegende Gary Player ist fasziniert vom aktuell wohl besten Golfer der Welt: „Er steht eine Stufe über ihnen allen, und er hat einen phänomenal guten Golfschwung. Sie alle sagen … der Schwung sehe seltsam aus, aber im Grunde genommen ist er einer der besten Schwünge, die man haben kann.”
Ziel für Augusta: Noch mehr Länge
Für das Masters sieht Player den Kalifornier in der Rolle des Top-Favoriten. In Augusta steht das Rough bekanntermaßen weniger hoch. Eine Tatsache, die ihm in die Karten spielen könnte. „Es wird faszinierend sein, zu sehen, wie er ein Eisen 9 ins zweite Loch in Augusta schlägt”, erklärte Player. „Auch auf der 15 wird er ein 9er-Eisen schlagen; auf einem Par 5. 13? 9er Eisen, ebenfalls ein Par 5. Auf der drei kann er über das Grün schlagen.”
DeChambeau will die Zeit bis zum Anpfiff zum finalen Major des Jahres übrigens nutzen, um noch ein paar Kilogramm drauzupacken sowie, um einen längeren Schaft einzuschwingen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in diesem November in Augusta erneut vom Beginn einer neuen Ära gesprochen wird.
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