20.10.2022 | 11:28

LIV Golf – das Dilemma

Das LIV Golf Dilemma
Golftimer
Golftimer

Der Begriff Kanonenstart schien für die LIV Golf Invitational Series angesichts ihrer Finanziers stets ein ziemlich passender zu sein. Aber erst als Jessie J während der Abschlusszeremonie beim ersten Turnier im Centurion Club, London, eine Darbietung ihres Hits „Price Tag“ zum Besten gab, waren die (Hinter-)Gedanken aller Beteiligten wohl perfekt auf den Punkt gebracht. „Es scheint, als hätte jeder seinen Preis, ich frage mich, wie sie nachts schlafen“, so eine Songzeile.


Es ist eine Frage, die jedem Mitglied der von Saudi-Arabien unterstützten Liga, mit seiner erschreckenden Menschenrechtsbilanz, in verschiedenen Versionen gestellt werden muss.

Greg Norman erklärte mit großer Freude, dass „die Evolution des Golfsports angekommen ist“.

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Aber die Machtspiele und die Sperren der PGA und DP World Tour lassen es eher wie den Beginn eines erbitterten Bürgerkriegs aussehen.

Die Spieler selbst erinnern gerne daran, dass sie Golfer und keine Politiker sind. Aber sie sind dennoch unweigerlich am sogenannten „Sportswashing“ beteiligt.

Ob aus Gier oder aus Not, sie alle haben wissentlich riesige Geldsummen angenommen. Dadurch sind sie nun so sehr von ihrem Eigennutz geblendet, dass sie das große Ganze nicht mehr sehen können. Oder wollen.

Dieses selbstgefällige Verhalten droht nun das Gefüge des professionellen Golfsports zu zerreißen. Zukunft und Ruf stehen jetzt auf dem Spiel und was als nächstes passiert, könnte enorme Auswirkungen auf die Spieler, die Touren und – nicht zuletzt – den Ryder Cup haben.

Im Folgenden gehen wir auf die Schlüsselfragen ein, die die Zukunft des Profigolfsports prägen könnten.

+++ Zum Thema: Sergio Garcia – „möchte dem Team nicht schaden …“ +++

1. Wird das alles vor Gericht enden?

Elf ehemalige PGA-Tour-Mitglieder haben eine Kartellklage gegen die PGA Tour eingereicht. Inzwischen sind es nurmehr drei.

Es scheint unvermeidlich und ist in Teilen bereits im Gange. Die Spieler sehen sich als unabhängige Vertragspartner, aber die PGA Tour zeigt sich kämpferisch und hat bereits zahlreiche Spieler auf unbestimmte Zeit gesperrt, weil sie zu LIV Golf gewechselt sind.

Was bedeutet, dass sie an keinem PGA-Tour-Event teilnehmen können, einschließlich der Korn Ferry und PGA Tour Champions.

PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan erläuterte seine Entscheidung in einem Memo an die Mitglieder und schrieb darin, die Spieler, die übergelaufen seien, hätten keine Freigaben erhalten und sich in einigen Fällen nicht einmal darum beworben. „Diese Spieler haben ihre Wahl aus eigenen finanziellen Gründen getroffen“, so Monahan.

Jay Monahan (l.) und LIV-Golf-Wechsler Ian Poulter bei der Zurich Classic of New Orleans im April
Jay Monahan (l.) und LIV-Golf-Wechsler Ian Poulter bei der Zurich Classic of New Orleans im April

„Aber sie können nicht die gleichen Vorteile und Möglichkeiten der PGA-Tour-Mitgliedschaft verlangen wie Ihr. Diese Erwartung ist eine Missachtung gegenüber Euch, unseren Fans und Partnern.“

Phil Mickelson, Ian Poulter und Bryson DeChambeau gehörten zu elf LIV-Golf-Spielern, die eine Kartellklage gegen die PGA Tour eingereicht haben, um ihre Suspendierungen anzufechten.

In der Zwischenzeit zogen acht Spieler, darunter Phil Mickelson, Carlos Ortiz, Pat Perez, Abraham Ancer und Jason Kokrak ihre Namen wieder zurück.

Und zahlreiche Spieler haben ihre PGA-Tour-Mitgliedschaft im Voraus freiwillig gekündigt, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Darunter Dustin Johnson, Sergio Garcia, Lee Westwood und Graeme McDowell.

Ein rechtskräftiges Urteil wird hier nicht vor 2024 erwartet.

+++ Zum Thema: Mickelson und weitere ziehen Klage zurück +++

Was versteht man unter Sportswashing?

Sportswashing ist die Praxis einer Einzelperson, einer Gruppe, eines Unternehmens oder einer Regierung, den Sport zu nutzen, um ihren angeschlagenen Ruf zu verbessern.

Dies, indem sie Sportveranstaltungen ausrichtet, Mannschaften kauft oder sponsert oder am Sport selbst teilnimmt.

Graeme McDowell
Graeme McDowell

Graeme McDowell ist hierfür ein gutes Beispiel, als er sagte: „Wenn Saudi-Arabien den Golfsport als Mittel nutzen möchte, um dorthin zu gelangen, wo es sein möchte – und es die Ressourcen hat, um diesen Prozess zu beschleunigen – dann sind wir stolz darauf, es mit den Fähigkeiten, die wir haben, auf dieser Reise zu begleiten, um den Golfsport wachsen zu lassen.“

+++ Zum Thema: John Daly wollte, aber Greg Norman nicht +++

2. Kann die PGA Tour, juristisch gesehen, die Spieler eigentlich unbegrenzt sperren?

Es gibt einen Präzedenzfall für das, was die PGA Tour getan hat – und das Ergebnis wird Sie vielleicht überraschen. Im Jahr 2014 drohte die International Skating Union (ISU) Eisschnellläufern mit lebenslangen Sperren für die Teilnahme an einer Reihe nicht genehmigter, geldbringender Wettbewerbe in Dubai.

Nach Erhalt einer Beschwerde von zwei niederländischen Profi-Eisschnellläufern entschied die Europäische Kommission, dass die ISU „unverhältnismäßig strafende“ Sanktionen gegen die Eisläufer verhängt hatte, um unter Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften die Entstehung konkurrierender Veranstaltungen zu verhindern.

Die ISU legte Berufung gegen die Entscheidung ein. Aber das Gericht der Europäischen Union bestätigte die EU-Kartellverfügung im Dezember 2020 mit der Begründung, dass den Drittveranstaltern von Eisschnelllaufwettbewerben der Zugang zum relevanten Markt nicht unangemessen vorenthalten werden dürfe.

Im Kontext des Golfsports scheint LIV Golf starke Argumente für eine Kartellklage zu haben. Rechtsexperten weisen auch darauf hin, dass der Steuerbefreiungsstatus der PGA Tour daran geknüpft ist, dass Spieler als unabhängige Vertragspartner gelten.

Berichten zufolge hat LIV Golf 150 Millionen U.S.-Dollar für Rechtsstreitigkeiten bereitgestellt, deren Klärung Jahre dauern können. Spieler könnten einstweilige Verfügungen beantragen. Wie auf der DP World Tour aktuell geschehen – die die Sperren der Tour aufheben würden, bis eine Lösung gefunden wird.

+++ Zum Thema: David Feherty verlässt NBC und Golf Channel +++

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3. Ist LIV Golf langfristig eigentlich zukunftsfähig?

Die vergangenen Wochen haben bewiesen, dass LIV-Golf-CEO Greg Norman und seine saudischen Finanziers über einen nahezu unbegrenzten Topf an Geldmitteln verfügen.

Der Public Investment Fund, Saudi-Arabiens Staatsfonds, ist dabei jedoch mehr darauf ausgelegt, den Staat zu fördern, als zwingend greifbare Renditen zu erzielen. Er hat bereits zwei Milliarden U.S.-Dollar bereitgestellt, um die Konkurrenz-Serie als eine vollwertige Super-Liga zu etablieren.

LIV Golf CEO Greg Norman
LIV Golf CEO Greg Norman (r.)

Laut Norman wird die globale Serie im nächsten Jahr 25 Turniere weltweit, darunter 14 für die LIV Golf Invitational Series, abhalten. Ein weiterer Unterstützer, der nicht unerwähnt bleiben sollte, ist der ehemalige U.S.-Präsident Donald Trump, dessen Country Clubs in 2022 zwei der acht Veranstaltungen ausrichten.

4. Wieviel Geld brauchte es, um Mickelson & Co. zu überzeugen?

Phil Mickelson hat Gerüchte, dass er 200 Millionen U.S.-Dollar als Antrittsbonus erhielt, nicht dementiert und bestätigte, dass er für mindestens zwei Jahre unterschrieben hat. Es wird gemunkelt, dass DJ 150 Millionen U.S.- Dollar für ein vierjähriges Engagement erhielt.

Phil Mickelson
Phil Mickelson

Während Bryson DeChambeau im Rahmen eines mehrjährigen Vertrags voraussichtlich über 120 Millionen U.S.-Dollar verdienen wird, nachdem er ursprünglich seine Loyalität gegenüber der PGA Tour zugesichert hatte.

Als letzter Topstar wurde der amtierende Open-Champion Cameron Smith nach Beendigung des FedEx Cups verpflichtet. Vermutete Gage hier: 100 Millionen U.S.-Dollar.

5. Wie gehen die Sponsoren der Spieler mit dem Thema LIV Golf um?

RBC beendete umgehend das Sponsoring von Dustin Johnson und Graeme McDowell, nachdem sie beschlossen hatten, ihre PGA-Tour-Mitgliedschaften gegen die von LIV Golf einzutauschen.

Als RBC-Botschafter wurde von den beiden Spielern erwartet, dass sie bei der RBC Canadian Open spielen. Aber stattdessen entschieden sie sich, in derselben Woche beim LIV Golf Opener im Centurion Club, London, zu spielen.

Dustin Johnson (Foto: picture-alliance)
Dustin Johnson (Foto: picture-alliance)

Phil Mickelsons Deal mit Callaway ist seit Februar „pausiert“, UPS kündigte Lee Westwood auf. Es ist wohl davon auszugehen, dass die großen Sponsoren das Thema intern intensiv diskutieren.

Bestehende Verträge basieren darauf, dass die Spieler an den Haupttouren teilnehmen und so von der weltweiten Berichterstattung profitieren.

Da es noch nicht viele LIV-Golf-Events gibt, diese über weniger Runden gespielt werden und alle 48 Spieler gleichzeitig auf dem Platz sind, könnten die Sponsoren bemängeln, dass die Vereinbarungen verletzt werden.

6. Werden die LIV Golf Events offizielle Weltranglistenpunkte erhalten?

Dies ist eines der größten Hindernisse für Greg Norman. 2022 gab es bislang keine Weltranglistenpunkte und wenn dies fortgesetzt würde, könnte es die Qualifikation eines Spielers für die vier Majors enorm beeinträchtigen. Die Asian Tour hat im Namen von LIV Golf einen Antrag beim Official World Golf Rankings Committee gestellt.

Peter Dawson, Vorsitzender des Official World Golf Ranking (Foto: picture-alliance)
Peter Dawson, Vorsitzender des Official World Golf Ranking (Foto: picture-alliance)

Aber dort muss eine Vorstandschaft überzeugt werden, die vom ehemaligen R&A-Chief-Executive Peter Dawson geleitet wird. Zu diesem zählt zudem der Augusta National GC, die DP World Tour, die PGA Tour, der R&A, die PGA of America, die USGA und die International Federation of PGA Tours.

+++ Zum Thema: LIV Golf: Doch keine Weltranglisten-Punkte +++

Es gibt jedoch Interessenskonflikte, die Greg Norman in die Hand spielen könnten. Aber dennoch: Ohne Genehmigung verfügen die PGA und DP World Tour weiterhin über ein starkes Druckmittel.

7. Wie wird sich das alles auf den Ryder Cup auswirken?

So wie es aussieht, ist jeder U.S.-Spieler, der zu LIV Golf wechselt, nicht berechtigt, am Ryder Cup oder Presidents Cup teilzunehmen. Also sind DJ, Bryson, Brooks & Co. erstmal aus dem Rennen. Für die Europäer sind die Dinge noch unklar.

Lee Westwood und Sergio Garcia werden bei künftigen Ryder Cups wohl nicht mehr spielberechtigt sein
Lee Westwood und Sergio Garcia werden bei künftigen Ryder Cups wohl nicht mehr spielberechtigt sein

Die Spieler wissen vor allem nach der Abberufung von Henrik Stenson als Kapitän für 2023 – dass ihnen das eine zukünftige Teilnahme kosten und auch Hoffnungen auf das Kapitänsamt nehmen könnte. Graeme McDowell sagte, er habe bereits mit dem „Worst-Case-Szenario“ Frieden geschlossen, 2027 seinen Traumjob als Kapitän im irischen Adare Manor wohl nicht zu bekommen.

8. Wie wird die DP World Tour vorgehen?

Der CEO der DP World Tour, Keith Pelley, findet sich in einem großen Dilemma wieder. Man hat bereits jede Menge großer Namen an die PGA Tour verloren und jetzt wurden viele der Verbliebenen von LIV Golf abgeworben.

In einer E-Mail, die im Februar an die Spieler gesendet wurde, forderte Pelley sie auf, darüber nachzudenken, wie das von Saudi-Arabien unterstützte Unternehmen die Tour „erheblich schädigen“ könnte.

CEO der DP World Tour Keith Pelley
CEO der DP World Tour Keith Pelley

Insbesondere da mehrere der LIV-Golf-Events mit „Heritage-Events“ im DP World-Kalender kollidieren. Einschließlich der Irish, Spanish und Italian Open.

Es kursierten Gerüchte, dass die DP World Tour eine Partnerschaft mit den Saudis in Erwägung ziehe. Somit LIV-Mitgliedern die Möglichkeit biete, gegen eine beträchtliche Investition an ihren Veranstaltungen teilzunehmen.

Von der Idee scheint die DP World Tour aber wieder abgekommen zu sein, intensivierte man im Spätsommer stattdessen die strategische Allianz mit der PGA Tour.

Ungeklärt ist auch der Rechtsstreit, der LIV-Spielern – zum Unmut von Rory & Co. – momentan die Teilnahme an DP World Tour-Events gestattet. Im Februar 2023 soll diesbezüglich ein Rechtsurteil ergehen.

9. Werden die LIV Golf Spieler bei den Majors spielberechtigt sein?

Mickelson, Johnson oder Smith hätten die Entscheidung zum Wechsel wohl kaum getroffen, wenn sie nicht sicher wären, dass sie an allen vier Majors teilnehmen können. Keiner der jeweiligen Ausrichter hat demnach bis dato die Teilnahme an ihren Veranstaltungen verweigert.

Dustin Johnson bei LIV Golf Invitational Series
Dustin Johnson bei LIV Golf Invitational Series

Und da sie nicht riskieren möchten, ihr eigenes Turnier abzuwerten, indem sie einige der größten Namen des Golfsports ausschließen, ist – unabhängig von den bestehenden Beziehungen zur DP World und PGA Tour – nicht absehbar, dass sich dies in näherer Zukunft ändern wird.

10. Ist es wirklich so schlimm, Mitglied der PGA Tour zu sein?

Das Preisgeld auf der PGA Tour ist diese Saison bereits um 17 Prozent, auf 427 Millionen U.S.-Dollar, gestiegen und PGA Tour-Commissioner Jay Monahan verspricht noch größere Anreize für seine Mitglieder, um die Bedrohung durch LIV Golf abzuwehren.

Bis 2025 wird – als eines von zahlreichen weiteren Turnieren – der Preistopf der Players Championship beispielsweise 25 Millionen U.S.-Dollar betragen. Es ist sogar die Rede von einer neuen internationalen Serie – die bereits im nächsten Jahr beginnen könnte – mit dem Versprechen großer Boni und garantiertem Geld für die besten Spieler der Welt.

Im Moment gibt es am Ende der regulären PGA-Tour-Saison einen Bonuspool von 20 Millionen U.S.-Dollar für die Top 10. Und das vor den FedExCup-Playoffs, wo der diesjährige Gewinner Rory McIlroy mit 18 Millionen U.S.-Dollar belohnt wurde. Die Nummer 1 der Welt, Scottie Scheffler brachte es in dieser Saison gar auf knapp 25 Millionen U.S.-Dollar.

Wer das diesjährige Player Impact Program gewinnt (PIP), darf sich über weitere 10 Millionen USDollar freuen, und das nur, weil er bei den Fans beliebt ist. Rory hat zugegeben, dass „jeder, der in den nächsten Jahren gut spielt, ernsthaft reich werden wird“, aber im Vergleich zu LIV Golf reicht es möglicherweise immer noch nicht aus, um die Stars davon zu überzeugen, zu bleiben …

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