02.08.2018

Was wir vom Training des Open-Siegers lernen können

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Francesco Molinari hat einen einzigartigen Trainingsansatz, der ihn zu einem der besten Golfer der Welt gemacht hat. Auch Amateure können viel davon mitnehmen.


Freddy und Patrick Braun von www.belowpar.de

Der Finaltag der 2018 Open Championship hatte es zweifelsohne in sich. Auf den letzten Löchern wird einem oft erst bewusst, wie wichtig oder teuer ein einziger Schlag werden kann. Wer schon das ein oder andere Turnier auf dem Buckel hat, kann sich den Druck auf der 18 eines Major Championship zumindest ansatzweise vorstellen. 
Auch wenn die wenigsten Amateure je eine Runde in Carnoustie drehen werden — wir alle haben unsere eigenen, individuellen Drucksituationen, die wir meistern müssen. Gerade deshalb lohnt sich ein Blick auf die Weltspitze, beziehungsweise auf den Mann, der am Sonntagnachmittag nicht nur mit dem Claret Jug posieren durfte, sondern auch als erster italienischer Major-Sieger in die Geschichtsbücher einging. 

Dass Francesco Molinari Golfen kann, ist nichts Neues. Mit neun Siegen als Profi und zwei siegreichen Ryder-Cup-Teilnahmen muss sich der jüngere der beiden Molinari-Brüder definitiv nicht verstecken. Dass er an Loch 18 in Carnoustie ausgerechnet einen 2-Meter-Putt zum Birdie lochte und seinen ersten Major-Sieg damit perfekt machte, ist ein netter Zufall, denn Molinari stellte sich während seines Aufwärmprogramms am Sonntag folgende Aufgabe:
Acht Putts aus 1,5 – 2 Meter, kein Putt wird zwei Mal von der gleichen Stelle gespielt und das Ziel ist es — Sie können es sich denken — alle Bälle mit so wenigen Versuchen wie möglich einzulochen. Dass Molinari am Sonntagmittag der Open Championship dafür nur neun Versuche benötigte, ist vielleicht weniger wichtig, als die Intention, die hinter der Aufgabe steckt.
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Ass im Hexenkessel: Francesco Molinari

Umgebung ohne Konsequenzen

Das Putting-Grün löst nur selten ein Gefühl in uns aus, das mit der Situation auf den letzten Löchern eines wichtigen Turnieres zu vergleichen wäre. Die Übungsanlage ist für die meisten Golfer eine Umgebung ohne Konsequenzen. Doch wenn wir nicht zumindest für einen Teil unseres Trainings-Verantwortung für die Ergebnisse unserer Schläge übernehmen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir auf dem Platz nicht so cool bleiben, wie Molinari. 
„Ich war so ruhig, wie man eben sein kann, wenn man mit Tiger in der Finalrunde um den Sieg spielt. Es gab viele Gründe nervös zu werden, doch ich habe mich auf meinen Prozess konzentriert.“
Der Prozess, beziehungsweise die Handlung, führt uns zu unserem gewünschten Endergebnis. Auf der Macro-Ebene ist das gewünschte Endergebnis vielleicht ein Turniersieg oder ein bestimmter Score. Auf der Micro-Ebene ist diese Ergebnis ein knackiger Ballkontakt, ein gelochter Putt oder ein Chip, der exakt auf unserem Landepunkt landet. Im Gegensatz zu unserem Endergebnis haben wir unseren Prozess zu jeder Zeit selbst in der Hand. 
Das ist wichtig, denn wir haben nicht nur während eines Majors mit allen möglichen, unkontrollierbaren Variablen zu tun. Das Verhalten eines Spielpartners, das Wetter oder der Zustand des Platzes sind nur drei von unzähligen Beispielen, die zeigen, wie unberechenbar eine Runde Golf sein kann. Sich an den Prozess und damit an die Dinge zu halten, die uns in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben, gibt uns Sicherheit und ist damit jedem Amateur nur zu empfehlen. 
Dinge, die uns in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben — damit meinen wir übrigens nicht „ich habe flacher ausgeholt“, „meine Putts hatten die perfekte Geschwindigkeit“ oder „ich hatte einen nette Gruppe“. Der Prozess bezieht sich auf die Routine, die bei den meisten guten Spielern aus den folgenden Elementen besteht: 

1. Finden Sie ein kleines Ziel. Je kleiner das Ziel, desto genauer der Schlag
2. Visualisieren Sie den Schlag so genau als möglich 
3. Fühlen Sie den kommenden Schlag während der Bewegung 
4. Richten Sie sich korrekt aus
5. Haken Sie den Schlag ab, sobald Sie Ihren Schläger wieder ins Bag gesteckt haben 

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Punkt Nummer drei möchten wir noch einmal besonders hervorheben. Das hat folgenden Grund: Unser Gehirn „denkt“ in Bildern. Aus diesem Grund kommen wir nicht um den schmerzverzogenen Gesichtsausdruck herum, wenn wir an einen großen Schluck frischgepressten Zitronensaft denken. Unser Gehirn nimmt ständig eine Vielzahl an Eindrücken wahr, vergleicht Sie mit unserer „Datenbank“ aus Erinnerungen und leitet dann die, für die jeweilige Situation angebrachten physischen und mentalen Handlungen ein. Das ist aus evolutionärer Sicht super, denn um uns in einer chaotischen Welt zurecht zu finden, müssen wir auf Grundlage von Vermutungen handeln und davon ausgehen, dass Feuer auch beim zweiten Anfassen heiß ist. 
Allerdings funktioniert dieses Prinzip auch umgekehrt. Dass unser Gehirn in Bildern „denkt“ können wir nutzen, um uns mental auf den kommenden Schlag einzustellen, um unserem Körper eine klare Anweisung zu geben und das positive Gefühl, das nach einem guten Schlag entsteht, schon vor dem Schlag hervorzurufen. Wenn wir also vom „Fühlen des kommenden Schlags“ sprechen, dann meinen wir Dinge, wie Balance, Rhythmus oder den Ballkontakt, nicht etwa verschiedene, technische Ideen. 

Die Ugly Zone

Diesen Ansatz würde auch der neue Open-Sieger unterschreiben, der sich nach einiger Zeit ohne den gewünschten Erfolg bei den großen Turnieren, Hilfe von Performance-Coach Dave Alred holte. Alred ist Autor des Buches „The Pressure Principle“ („Das Druck-Prinzip“) und arbeitet zudem hauptsächlich mit Fußball- und Rugby-Profis zusammen. Mehrere Golfblogs und Magazine zitieren ein Gespräch zwischen Alred und Molinari nach einer der ersten gemeinsamen Trainingseinheiten: 
„Du wirst frustriert sein. Du wirst dich über mich aufregen. Doch wenn Du im Training nicht in diesen Zustand kommst, dann kommst Du auch nicht aus ihm heraus, wenn es darauf ankommt.“
Dem Open-Champion war schnell klar, dass sich sein Training unter Alred ändern sollte, als er im Riviera Country Club in der Nähe von Los Angeles, solange einen schwierigen Lob aus einer Bergab-Lage spielen sollte, bis 5 davon im Umkreis von einem Meter zur Ruhe kamen. Molinari benötigte 48 Versuche. 
Das Training in der sogenannten Ugly Zone, die unter anderem auch Luke Donald immer wieder anspricht und die Alred in seinem Buch detailliert anspricht, sollte sich bezahlt machen, denn Molinari fuhr mit einem zweiten Platz bei der PGA Championship im vergangenen Jahr sein bis dato bestes Ergebnis bei einem der großen Turniere ein.

Molinari im Training mit Performance-Coach Dave AlredMolinari im Training mit Performance-Coach Dave Alred

Wir müssen uns fordern

Die Ugly Zone ist kein neues Konzept, jedoch eines, das jeder Amateur verinnerlichen sollte. Wir werden nur dann besser, wenn wir uns fordern. Wer regelmäßig ins Fitnessstudio geht und nach drei Monaten immer noch mit denselben Gewichten trainiert, lässt wertvolle Fortschritte liegen. 
Kämpfen Sie aktiv gegen die Versuchung, einen Ball nach dem anderen zu schlagen, ohne dabei an das Ziel Ihres Trainings zu denken. Sie haben kein Ziel? Setzen Sie sich eines! Nicht eines, das Sie ohnehin erreichen würden, sondern eines, das Sie weiterbringt und Ihre Vorstellungskraft anregt. Erst dann trainieren Sie in einem Zustand, den der Psychologe Robert Bjork von der University of California Los Angeles (UCLA) als „desirable difficulty“ bezeichnet. Ein Spieler, der „desirable difficulty“ — „wünschenswerte Schwierigkeit/Herausforderung“ — in sein Training einbaut, wird auf dem Platz früher oder später nicht mehr von Schlägen oder Situationen überrascht, auf die er nicht vorbereitet ist. 

Das ist wichtig:

Machen Sie es wie Molinari und fokussieren Sie sich auf den Prozess. Fragen Sie sich dazu:
  • Welche Art der Schlag-Vor-, und -Nachbereitung führt bei mir regelmäßig zu einem guten Schlag?
  • Begeben Sie sich in die Ugly Zone und machen Sie Ihr Training schwieriger als eine durchschnittliche Runde auf dem Platz
  • Übernehmen Sie Verantwortung für das Ergebnis Ihrer Schläge im Training und bauen Sie Ziele und Konsequenzen ein

Freddy und Patrick Braun sind Brüder, Plus- und Singlehandicapper (+1,4 & 3,6), Bundesliga-Spieler und die Köpfe hinter der Golftrainings-Website BelowPar.deFreddy spielte vier Jahre lang College Golf in den USA, wo er mit der Wilmington University bei den nationalen Meisterschaften 2016 unter die Top 8 Teams des Landes kam. Während seiner Zeit in den USA lernte er unter anderem von PGA-Tour-Trainern und gewann mehrere Turniere mit dem Team.

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