13.04.2018

Bei meiner Ehre – Ready Player One?

golftime
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Ehr’ ist des Lebens einziger Gewinn; nehmt Ehre weg, so ist mein Leben hin“ dichtete einst William Shakespeare. Was den Golfsport angeht, kann der berühmte englische Dramatiker nun einpacken.

Zukünftig kommt nämlich dank „Ready Golf“ der schlagfertigste Golfer als Erster an die Reihe, während man nicht länger darauf warten muss, bis der Birdiespieler endlich mit dem Jubeln fertig ist und seinen Instagram-Status (#birdieman #läuftbeimir #roadtoplatzrekord) aktualisiert hat. Während „Ready Golf“ in vielen anderen Ländern auch ohne Regelwerk seit jeher einen Teil der gelebten Spielkultur darstellt, gilt Vordrängeln bei deutschen Golfern gemeinhin als Sakrileg. Denn schon in der Bibel steht zu lesen: „Ehre, wem Ehre gebührt“, und wer würde es schon wagen, sich mit Gott anzulegen?
Insofern könnte es interessant werden, welch bunte Kontroversen der innovative Turbolader im Golfregelwerk in der kommenden Saison heraufbeschwören wird. Denn immerhin (und da nehmen wir es in diesem, unserem Lande sehr genau) tritt diese Neuregelung offiziell erst ab 2019 in Kraft. Und was heißt da überhaupt „Neuregelung“? „Es gibt dabei kein vorgegebenes Verfahren“, erfahre ich im offiziellen Ready Golf-Leitfaden des DGV und muss erkennen, dass acht Jahre GroKo wirklich überall ihre Spuren hinterlassen haben. „Jeder Spieler konzentriert sich vorrangig auf seinen Ball“, könnte direkt aus der Feder von Martin Schulz geflossen sein, während ich die Stimme unserer Kanzlerin hören kann, die den frei interpretierbaren Zusatz vorträgt: „ … und spielt diesen auf umsichtige Art und

Weise, ohne Mitspieler dadurch zu stören oder zu gefährden.“

Ready Golf braucht Zeit

So großartig das Konzept auf dem Papier klingen mag, um ausufernde Golfrundenzeiten in den Griff bekommen zu wollen: Es muss befürchtet werden, dass es seine Zeit dauern wird, bis Ready Golf reibungslos funktioniert. Denn der gelebte Golf-Knigge mag das Spiel verzögern – wenn bspw. alle Spieler nach einem verlorenen Ball suchen, anstatt, wie empfohlen, selbst zu spielen –, aber er bewahrt uns auch ein Stück weit vor der Anarchie.
Das geringste Konfliktpotenzial mag noch der Abschlag bieten. Sofern der Spieler mit der althergebrachten Ehre schon die grobe Kelle wetzt, lässt man ihm den Vortritt, ansonsten sollte man höflich, aber bestimmt dem neuen Schießbefehl folgen. Schwieriger wird es auf oder abseits der Bahn. Bei der Schlagvorbereitung erwarten die meisten Hobbygolfer von ihrer Umwelt eine ähnlich absolute Ruhe, wie sie ansonsten vielleicht nur der Erteilung des Ehesegens vorbehalten sein sollte.

Brandbeschleuniger, wenn alle ready sind

Wenn jedoch im Umkreis weniger Meter vier Spieler, die sich allesamt „ready“ fühlen und „vorrangig auf ihren Ball konzentriert sind“, Probeschwünge ausführen, Bälle bewegen oder ihrem unkontrolliert abfliegenden Spielgerät Verwünschungen mit auf den Weg geben, könnte dies neben dem Spiel auch so manchen Brand beschleunigen. Gerne wird älteren oder spielschwächeren Golfern unterstellt, sie wären die Hauptursache für langsames Spiel. Doch auch PGA Tour-Spieler wie J.B. Holmes nehmen sich gerne einmal über vier Minuten Zeit, um einen einzigen Schlag vorzubereiten.
Kein gutes Beispiel für die ambitionierten Amateure unter uns, die diesem Vorbild folgen und sogar während ihrer Trainingsrunden endlos über Flugkurven oder Puttlinien brüten. Nicht vergessen: Auch der Schlag eines Handicap-Null-Spielers benötigt keine zwei Sekunden.
Ready Golf kann nicht mehr sein als ein Impuls, das individuelle Spielverhalten optimieren zu wollen. Geschieht dies nicht, wird die Regelung vornehmlich Schreierei statt Harmonie erzeugen. Die Ausbildung einer Platzaufsicht sollte deshalb vielleicht vorsorglich um Lehrgänge in „Psychologie“ und „Selbstverteidigung“ erweitert werden.
Götz Schmiedehausen

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